„Das wird manchen versöhnen.“

Décollage in der Pauluskirche Remscheid-Hasten

von Frank Becker

Foto © Frank Becker
„Das wird manchen versöhnen.“
 
Barbara Held und Boris Meißner
rücken mit ihrer Fenster-Décollage
in der Remscheider Pauluskirche
Christus in ein neues Licht
 
Acht farbkräftige neugotische Jugendstilfenster hat die Hastener Pauluskirche, zwei wurden 1905 von Ferdinand Müller (Quedlinburg) geschaffen, die übrigen sechs 1913 aufgrund einer Schenkung von Carl Hertel (Düsseldorf). Seither leuchteten Szenen des Lebens und der Passion Christi in üppigen, symbolreichen Bildern zu Häupten der evangelischen Gemeinde in dem ehrwürdigen Schinkel-Bau.
Nachdem das Künstler-Paar Barbara Held/Boris Meißner im vergangenen Jahr in der Nürnberger Barock-Kirche St. Egidien einen fulminanten Erfolg mit einer Aktion hatten, für die sie das 9 m hohe moderne Kreuz im Kirchenraum vakuumverschweißten, konnten sie jetzt  Siegfried Landau, Pfarrer der Pauluskirche und sein Presbyterium dafür gewinnen, die gewohnten Bilder des lichtdurchfluteten Kirchenschiffs für ein halbes Jahr tiefgreifend zu verändern.
 
Das geschieht dadurch, dass über die Bildmotive der Fenster eine lichtdichte weiße Papierschicht gelegt wird. An sechs Sonntagen bis zum Jahresende werden die Künstler einzelne Teile der Motive der biblischen Erzählungen in sechs der Fenster freischneiden. Der Prozess des Freilegens folgt nicht einfach den Motiven, sondern einem Konzept, durch das Verfremdungen, vielleicht Irritationen entstehen, die einen neuen Blick auf die scheinbar vertrauten Motive der Fenster ermöglichen sollen. Pfr. Landau: „Eine liturgische und theologische Herausforderung.“ Auch die Gemeinde lässt sich auf dieses Abenteuer ein: „Das wird manchen versöhnen.“, so eine Stimme im Vorfeld.
 
Nach einer dreimonatiger Materialerkundung und Machbarkeitsversuchen für das weltweit erste Projekt dieser Art und in einwöchiger  Installationsarbeit mit Hilfe der Gemeinde ist der erste Schritt getan: alle Fenster sind verdeckt, nur im linken Mittelfenster des Schiffs ist bereits eine Darstellung freigelegt – die des gekreuzigten Christus von Ferdinand Müller, allerdings ohne dass das Kreuz sichtbar wäre. Barbara Held, studierte Theologin: „Wir sehen nur den in seiner Einsamkeit leidenden Menschen in aller Radikalität.“.

Foto © Frank Becker
 
Das Bild, das völlig isoliert vom Kontext nun über dem dunklen Kirchenraum schwebt, beeindruckt durch seine wortlose Aussage sogar Agnostiker. Ein Zufall will, dass über die Füße der Figur ebenso wie über den Brustkorb die breiten Stähle des Mosaikfensters verlaufen – in der Loslösung vom bildlichen Zusammenhang wirken sie wie schwere Fesseln.  
Je nach Fortgang der Décollage werden auch die Kirchenbänke umgestellt, um den Besuchern mal um mal die neue Sicht zu ermöglichen.
 
Die Eröffnung fand gestern, Samstag, unter reger Beteiligung der Gemeinde statt, der erste Gottesdienst unter dem ersten neuen Bild wird heute, Sonntag, 03. Juli 2011 um 10.30 Uhr abgehalten.
 
Pauluskirche Remscheid-Hasten, Büchelstr. 47, 42855 Remscheid