Im Mahler-Jahr: zwei hochinteressante Bücher

Peter Wehle: "Gustav Mahler" - Helmut Brenner/Reinhold Kubik: "Mahlers Welt"

von Frank Becker

Außergewöhnliches Mahler-Wissen


 

         

 

Peter Wehle
"Gustav Mahler - langsam, schleppend, stürmisch bewegt"
© 2011 Verlag Kremayr & Scheriau
222 Seiten, geb. m. Schutzumschlag
21,90 €
Weitere Informationen: www.kremayr-scheriau.at
 
Helmut Brenner/Reinhold Kubik
"Mahlers Welt - Die Orte seines Lebens"
© 2011 Residenz Verlag
407 Seiten, geb. m. Schutzumschlag, rund 600 Abb., div. Register, 39,90 €

Weitere Informationen: www.residenzverlag.at



Zwei Bücher, die Gustav Mahler einmal
ganz anders darstellen

I
m Mahler-Gedenkjahr 2011 wird natürlich viel und ständig über den Jahrhundertkomponisten und sein Leben publiziert. Dabei kommen die beiden interessantesten Bücher zur Person und zum Leben
Gustav Mahlers (1860-1911) wie selbstverständlich aus Österreich. Der Musikwissenschaftler Peter Wehle, dessen Haydn-Buch hier vor zwei Jahren vorgestellt wurde, stellt Mahler einmal ganz anders und deshalb besonders lesenswert in seinem "Lesebuch zum Nachschlagen" mit dem beziehungsreichen Titel "Gustav Mahler - langsam, schleppend, stürmisch bewegt" vor. Und das Autorenteam Helmut Brenner/Reinhold Kubik hat sich eines zunächst abseitig anmutenden Aspekts angenommen, der sich bei der Lektüre als höchst aufschlußreich erweist: "Mahlers Welt - Die Orte seines Lebens".

Mit einem direkten Bezug auf Gustav Mahlers Symphonie Nr. 1 setzt Peter Wehle an - und beschwichtigt im Vorwort auch gleich den Fakten-scheuen Leser, indem er sich ausdrücklich dazu bekennt, mit diesem wirklich kurzweiligen Buch keine "schwere Literatur" vorlegen zu wollen. Und so wird der in zwei Abschnitte eingeteilte Band (1. Teil: Lebenslauf in Anekdoten mit Briefen und Zitaten - 2. Teil: Mahler von A(dagietto) bis Z (was nicht ganz stimmt, denn es hört mit (W)olf, Hugo auf). Im ersten Teil erfahren wir im lockeren Plauderton, doch mit pointiert verpackten Lebens- und Werkdaten alles Wissenswerte, um dem Phänomen "Mahler" einmal unangestrengt näher kommen zu können. Das ist umso verdienstvoller, weil viele Biographen die inhaltliche Schwere des Mahlerschen Werkes auf ihre Bücher zu übertragen trachten. Das vermeidet Peter Wehle tunlichst - und tut uns damit einen großen Gefallen. Denn Lebensdaten, Werkverzeichnisse und Musikinterpretationen kann man sich leicht auch auf zig Internetseiten anschauen. So wie der im k.u.k. Österreich-Ungarn geborene Komponist hier präsentiert wird, lernt man vorderhand den Menschen kennen. Briefstellen, Zeitzeugenberichte und ein wenig notwendiger Klatsch machen die Sache rund und zugleich vergnüglich. Der zweite Teil bietet die Möglichkeit, über Namen und Stichworte zu Mahlers Leben und Werk zu gelangen. Man schlägt natürlich sogleich Reizworte wie Kokoschka, Gropius, Zemlinsky etc. nach - gelangt aber nur über Alma Mahler (auch Schindler ist nicht aufgenommen) dorthin. Da und auch anderswo hätten ein paar Stichworte mehr sicher gut getan. Es bleibt aber dennoch dabei: ein lesenswertes Buch.

Etwas geradezu Sensationelles haben der
Musikwissenschaftler Reinhold Kubik und der Mahler-Forscher Helmut Brenner mit ihrem Buch "Mahlers Welt - Die Orte seines Lebens" auf die Beine gestellt, bzw. zwischen zwei Buchdeckel gepackt: eine an den - bitte wörtlich zu nehmen! - Stationen des Lebens Gustav Mahlers vom Geburtshaus in Kalischt bis zum Grabstein auf dem Grinzinger Friedhof nachvollzogene Lebensreise. Akribisch und in beinahe nicht zu fassender Recherche haben die Autoren rund 600 historische Fotos und Postkarten aller ihnen bekannt gewordenen Adressen, Wohn- und Konzerthäuser, Ferienorte, Reiseziele, ja sogar der Schiffe, mit denen Mahler den Atlantik überquert hat, zusammengestellt, zugeordnet und mit detaillierten Hintergrundinformationen versehen. Der Leser kann quasi mit Mahler noch einmal alle die Orte aufsuchen, deren Fuß der Komponist in den nicht ganz 51 Jahren seines bewegten Lebens berührt hat. Das sind auch die Häuser, in denen Mahlers Freunde lebten und die er dort besucht hat. Gespickt mit Briefstellen, Anekdoten, intimen Erinnerungen von Freunden und Zeitgenossen und mit Informationen über seine sämtlichen erwähnten Bezugspersonen und über viele der Architekten und Hauseigentümer - das sind in dem 407 Seiten starken, großformatigen Band nicht wenige! - ist das Buch zu einem schier unerschöplichen Mahler-Kompendium geworden. Ein solches Buch hat es bislang noch nicht gegeben - sein Erscheinen läßt den bisherigen Mangel offenbar werden. Die Fülle der enthaltenen Informationen ist überwältigend, jedoch nicht erschlagend. Man liest sich mit Begeisterung in den griffigen Kapiteln und hochinteressanten Sachbeschreibungen und Skizzen von Menschen fest, die Mahlers Wege gekreuzt haben.
Ein Abkürzungs- und Literaturverzeichnis sowie je ein umfangreiches Orts- und Personenregister (die jeweils absolut nichts auslassen) weisen präzise auf Fundstellen im Buch hin. "Mahlers Welt - Die Orte seines Lebens" wird künftig mit Gewißheit unverzichtbar einen festen Platz in der Mahler-Literatur einnehmen.