Hommage an den Mann am Klavier

Rainald Grebe - "Das Hongkongkonzert"

von Daniel Diekhans
Hommage an den Mann am Klavier
 
In „Hongkongkonzert“ gibt Rainald Grebe den melancholischen Alleinunterhalter
 
Das Leben als Alleinunterhalter: Wie fühlt sich das an? Und wie hört es sich an? Diesen und noch mehr Fragen geht Klavierkabarettist Rainald Grebe in seinem aktuellen Soloprogramm „Hongkongkonzert“ nach. Wenn Grebe in die Tasten eines plärrenden Billig-Keyboards greift, mit heiserer Stimme Fetenhits wie Chris de Burghs „Lady In Red“ oder das unvermeidliche „Hotel California“ herunterleiert, nimmt ihm jeder die menschliche Jukebox ab. Wenn er zwischen den Songs vom alltäglichen Wahnsinn der Betriebsfeiern und Kaffeefahrten erzählt, wird der Alleinunterhalter sichtbar als zugleich höchst komische und traurige Figur.
 
Doch Grebe wäre nicht Grebe, würde er sich mit der Figur des singenden Animateurs begnügen. Im Laufe des knapp achtzigminütigen Programms, das seinen Titel einem bizarren Gastspiel des Künstlers in der chinesischen Metropole verdankt, schlüpft er immer wieder in neue Rollen. „Matthias Reim“ berichtet aus angeblicher Insidersicht von der allzu kurzen Karriere eines Schlagerstars. Als Lebensberater „Dr. Fuchs“ erteilt Grebe Ratschläge, die sich zwar reimen, aber immer abstruser werden. In „Der Kandidat“ singt er von der Ochsentour namens Wahlkampf („Wo die Mitte ist, bin ich/ Ich bin die Mitte […] Wahlen werden in der Mitte gewonnen“). Ganz nebenbei lästert Wahlberliner Grebe über den Neobiedermeier vom Prenzlauer Berg („Gemüsekiste“), treibt die Globalisierungshysterie auf die Spitze („Alle sagen China China/ Der Chinese überholt uns noch“) und kennt das probate Mittel gegen die Schrecken des 21. Jahrhunderts: „Urlaub in Deutschland“.
 
Doch hinter der Maske des Spaßmachers kommt gelegentlich der Melancholiker zum Vorschein. Fassungslos läuft Grebes Alter Ego durch gesichtslose deutsche Städte („Fußgängerzonen“) und über dem ganzen Land schwebt die reale Angst vor dem Tod durch Überarbeitung – Mobilität und Flexibilität machen es möglich („Karoshi). Am Ende seines Konzerts ist der „Mann am Klavier“ wieder auf sich zurückgeworfen. Unendlich traurig singt er von den „tausend schönen Liedern“, die alle nicht von ihm sind. Und ihm kommt eine Zeile aus „Hotel California“ in den Sinn: „You can check out any time you like/ But you can never leave.“

Beispielbild


Rainald Grebe
Das Hongkongkonzert
 
(P) + © 2009 Versöhnungsrecords
 
Titel:
01 You’re Beautiful
02 I Wanna Know What Love Is
03 Lady In Red
04 Hotel California
05 Matthias Reim
06 China
07 Hongkong
08 Urlaub In Deutschland
09 Pizza Hut
10 Fußgängerzonen
11 Karoshi
12 Geld
13 Der Billardär
14 Ballermann
15 Störtebeker
16 Sachsen
17 Dr. Fuchs
18 Der Kandidat
19 Seafood
20 Silvester
21 Gemüsekiste
22 Verliebt
23 Mann am Klavier
 
Gesamtzeit: 1:17:23
 
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