Vertraut und unbekannt zugleich
Das Wuppertaler Von der Heydt-Museum brilliert mit einer fabelhaften Werkschau des Impressionisten Alfred Sisley
Nachdem das Wuppertaler Von der Heydt-Museum im Jahr 2006 den Wegbereitern des französischen Impressionismus, der sog. Schule von Barbizon, eine große Retrospektive gewidmet hatte, gefolgt von Auguste Renoir (2008), Claude Monet (2009/10) und dem Post-Impressionisten Pierre Bonnard (2010/11), kann nun, nicht zuletzt dank der maßgeblichen finanziellen Förderung durch die Wuppertaler Jackstädt-Stiftung, in den Räumlichkeiten am Turmhof ein weiterer wichtiger Vertreter impressionistischer Malerei besichtigt werden, nämlich Alfred Sisley. Obwohl er zum inneren Kreis der Impressionisten gehört und in kaum einer bedeutenden Impressionismus-Sammlung fehlt, ist er zugleich doch einer der großen Unbekannten dieser künstlerischen Bewegung. Sein Werk ist bis heute in weitaus geringerem Maße erforscht als die Kunst von Manet, Monet, Renoir oder Pissarro, und über sein Leben ist trotz der in
Ernst ist das Leben…
1839 als Sohn eines erfolgreichen englischen Geschäftsmanns in Paris geboren und als junger Mann von den Eltern finanziell unterstützt, konnte Sisley in den Sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts ein Kunststudium aufnehmen und danach ganz unbeschwert seiner eigentlichen Passion, der Freilichtmalerei, frönen – und das, obwohl seine Werke vom „Salon“ zurückgewiesen wurden und es ihm nicht gelang, von Bildverkäufen zu leben. Der deutsch-französische Krieg von 1870/71, der zur Gründung des Deutschen Reiches und zur Proklamation Wilhelms I. zum deutschen Kaiser führte, brachte für Sisleys Vater den geschäftlichen Ruin und für den Sohn Alfred das Ende seines finanziell sorglosen Daseins. Hatte er bis dahin sogar seine impressionistischen Künstlerfreunde unterstützen können, mußte er angesichts der Unverkäuflichkeit seiner Bilder fortan sein Leben in großer Armut fristen, ein Zustand, an dem sich bis zu seinem Lebensende – er starb 1899 an Kehlkopfkrebs – nichts änderte. Sisley zog sich von Paris aufs Land zurück und malte in der Umgebung der Hauptstadt Hunderte von Landschaftsbildern, die ihn – um den Untertitel der Wuppertaler Ausstellung aufzugreifen – zum „wahren Impressionisten“ werden ließen. Er galt als bescheiden, zurückhaltend, ja schüchtern, im Alter auch als mißtrauisch und mürrisch. Bei ausbleibender öffentlicher Anerkennung und angesichts eines von finanziellen Sorgen überschatteten Daseins sah er nach und nach „alle Freuden des Lebens … schwinden, nur die Freude am Malen verließ ihn nie“, wie Arsène Alexandre anläßlich der postumen (und finanziell endlich erfolgreichen) Verkaufsausstellung des Jahres 1899 in der Pariser Galerie Georges Petit feststellte.
…heiter ist die Kunst
Diese „Freude am Malen“ fand seit den Siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts in subtil gemalten,
Hinreißend ist die geradezu physisch spürbare atmosphärische Frische vor allem der Flußlandschaften mit ihrer Dominanz reiner Blautöne, die den Himmel und das Gewässer bestimmen. Als herausragendes Beispiel sei nur „Die Brücke von Villeneuve-La-Garenne“ (1872) aus der „heroischen“ Phase des sich entfaltenden Impressionismus erwähnt, das aus dem New Yorker
Licht und Farbe
Dies gilt selbstverständlich nicht nur für spezifische Naturphänomene wie Wasser und Wolken, sondern ganz allgemein für das vibrierende Licht, das Sisley – wie andere impressionistische Maler auch – mit Hilfe fleck- und kommaartig aufgetragener Pinselstriche in Farbmaterie zu verwandeln suchte.
Daß ungeachtet seiner mißlichen Folgen für die unmittelbar Betroffenen für einen Impressionisten das Hochwasser ein ideales Thema sein kann, da hier Himmel und Erde buchstäblich ineinander
Ähnlich obsessiv, wie Monet die Kathedrale von Rouen zu den verschiedenen Jahres- und Tageszeiten, bei den unterschiedlichsten Lichtverhältnissen sowie bei allen nur erdenklichen Witterungsverhältnissen „porträtiert“ hat, hat auch Sisley die gotische Kirche Notre-Dame von Moret-sur-Loing immer wieder gemalt – am Morgen bei Regenwetter, im abendlichen Sonnenlicht, am
In Moret-sur-Loing, mit seinem Fluß und Kanal ein überaus idyllischer Ort in der Nähe von Fontainebleau, hatte sich Sisley zu Anfang der Achtziger Jahre niedergelassen, hier starb er auch fast zwei Jahrzehnte später. Wie zuvor Louveciennes, Marly oder Billancourt bot ihm Moret nun in unerschöpflicher Fülle jene Motive, die ihn berühmt gemacht haben, die zugleich aber auch der Grund dafür sind, warum er nicht jene Beachtung gefunden hat wie Monet, Renoir und andere prominente Meister des französischen Impressionismus. (In Klammern sei angemerkt, daß Sisley, als Kind englischer Eltern in Frankreich geboren, ungeachtet entsprechender Bemühungen nie die französische Staatsbürgerschaft erlangt hat; gleichwohl wird er allgemein als französischer und nicht als englischer Künstler wahrgenommen.)
Sisleys Modernität
Der Sisley-Biograph Richard Shone nennt drei Gründe, warum dieser Künstler neben anderen impressionistischen „Hauptdarstellern“ eher eine „Nebenrolle“ gespielt habe: erstens die schwankende Qualität seiner Arbeiten (was auch in der Wuppertaler Ausstellung erfahrbar ist), zweitens – wie bereits erwähnt – die Tatsache, daß Sisley als Person nur schwer greifbar ist, und drittens, daß er sich auf ein einziges Sujet beschränkt hat, mit anderen Worten, daß er „ausschließlich Landschaftsmaler“ war. Im Unterschied zu den Bildern anderer Impressionisten gibt es „keine
P.S.: Die Zwischenüberschriften „Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst“ stammen aus dem Prolog zu „Wallenstein“ von Friedrich Schiller.
Alfred Sisley – Der wahre Impressionist | 13.09.2011 - 29.01.2012 Von der Heydt-Museum Wuppertal
Turmhof 8 - 42103 Wuppertal
Katalogbuch „Alfred Sisley – Der wahre Impressionist“, hrsg. v. Gerhard Finck, Wuppertal 2011; 252 S. mit zahlreichen Farbabbildungen; ISBN 978-3-89202-080-6; 25,- €. Redaktion: Frank Becker |