Nur so viel will ich sagen… Lyrik-Rezensionen, diverse
von Andreas Greve
Heute möchte ich mich abwechslungshalber einmal ganz kurz fassen. Nur so viel möchte ich sagen: Irgendwie scheint es widersinnig, Worte über Gedichte zu machen. Es sei denn, man möchte einen Fingerzeig geben, einen kleinen Werbeblock schalten, zum Selber-Lesen auffordern. Stilistisch und inhaltlich bleibt man dabei weit unter dem Besungenen. Vielleicht ist es auch einfach nur schwieriger (als über schlechte Bilder zu schwadronieren, einem drittklassigem Hotel den verbalen Todesstoß zu versetzen oder der Landlust zu frönen). Am allerbesten wäre es, ich leihe Ihnen die fünf Bücher und Literaturmagazine, über die ich hier etwas schreiben wollte. Aha, das wollen Sie nun wieder nicht. Nun gut, um mich vom lyrischen Tonfall stark abzusetzen, werde ich möglichst viele Zahlen einbauen. Nehmen wir nun also zuerst die beiden Nummern des Magazins „Poet“, buchdick und buchformatig, mit jeweils über 250 Seiten und nicht nur Wasserstandsmeldungen über neue Lyrik in Deutschland Der unschätzbare Vorteil von Anthologien oder nach einem Thema zusammengestellten Lyrik-Bänden sind in der Tat die Eckdaten der vielen alten und jungen Autoren, so daß man kurz und unauffällig mal nachschlagen kann, wer denn nun eigentlich Rückert war oder wann Adelbert von Chamisso lebte (1781-1838). Um die Daten dann noch schnell an Goethe abzugleichen (1749-1832). Intensives Lesen aber gelingt mir persönlich leichter, wenn ich bei einem Dichter bleibe. Es brauchen ja nicht gleich die Gesammelten Werke sein. Deshalb schätze ich die 100-Gedichte-Reihe vom Aufbau Verlag sehr, vor allem weil die Bändchen schön in Leinen daher kommen, aber nicht viel breiter als eine Brieftasche sind und sich somit auch für Bahn und Bus eignen, bei einem bestechend geringen Gewicht von geschätzten 257,5 Gramm! Aus dieser Reihe besaß ich bereits ein halbes Nun also bekam ich in der Reihe zudem das „Glück“ in hundert Variationen und auch „Hundert komische Gedichte“. Nur so viel will ich dazu sagen: Es fiel mir leichter, glücklich zu werden als zu lachen. Normalerweise ist es genau umgekehrt. Das machte mich stutzig. Ich gefiel mir bald so sehr in der Attitude des Nichtlachens, daß ich gar nicht mehr wußte, ob ich im froschgrünen Leinenband den Humors nichts lustig fand oder gerade im orangen im Glück / „So knallvergnügt“ las. Ich war verwirrt. Ich war schon etwas mißvergnügt durch mehrere Strophen gedrungen, als ich den Namen des Autoren las: Robert Gernhardt. Der hat durchaus Wert darauf gelegt, auch unkomisch zu sein. In diesem Fall ist ihm das zweimal gelungen. Andrerseits war Gernhardt 2004 der Mitherausgeber des grandiosen Standard-Werks „Hell und schnell“ – 555 Gedichte aus 500 Jahrhunderten“. Immer wenn ich in dem Wälzer herum schmökere, lache ich - früher als später. Im froschgrünen „Kängt ein Guruh“ aus dem Aufbau Verlag, in dem Gernhardt immerhin mit sechs Werken vertreten ist, gelang mir das nie so recht. Das kann 1. am Hochformat der Bände liegen oder 2. an einem Formtief meinerseits oder aber (dies als unhaltbare These!) 3. daran, daß in diesem Fall eine Frau - Gudrun Schury - die Auswahl getroffen hat. Pardon! Mehr möchte ich dazu nicht sagen. Nur soviel: Beide Herausgeber begründen ihre Auswahl gründlich, im Glücksfalle tut das Jürgen Engler. Sagte ich schon den Preis? 12,95 Euro – da kann man bei der Aufmachung wahrlich nicht meckern. Hundert Gedichte sind eine ganze Menge für einen einzelnen Dichter, jedenfalls runtergebrochen auf einen einzelnen Band. Solcherlei Darreichungen liegen eher zwischen 66 und 88 – auch das nur als Ludwig Greve, Jahrgang 1924, schrieb schon sehr jung – und zwar auf der Flucht vor den Nazis und er schrieb als ein vom Holocaust direkt betroffener und verfolgter Jude, und noch und schon als andere meinten, daß man nach Ausschwitz keine Gedichte mehr schreiben könnte. Greve schrieb eines seiner schönsten, „Luca“, zum „Gedächtnis an Evelyn Greve…, die fünfzehnjährig deportiert wurde.“ Er verlor Schwester und Vater. Das war der Schatten, der ihn begleitete. Er schrieb aber durchaus auch über Tulpen und Pfingstrosen oder über Landschaften. „In diesen weit ausholenden Texten über die Schwäbische Alb oder die Nordsee nimmt der Dichter Urlaub vom Schmerzlichen seines Lebensthemas. Sie wirken gelöster…“ schreibt Harald Hartung in seinem Nachwort „Ein Unterton von Glück“, das ich in einem ganz anderen Buch bereits als Essay gelesen hatte und dadurch erst auf den unverwandten Namensvetter neugierig gemacht wurde. Greve selber formulierte es so: „Es zeigte sich, daß mir so eine Sprache der Sterblichkeit gelang, die vielleicht vor beiden bestehen kann, den Opfern wie den Lebenden. Das gibt manchen Gedichten, ob ich auch schweren Mutes anfing, so einen Unterton von Glück, warum sollte ich das leugnen.“ Dreißig Jahre arbeitete Greve im Marbacher Literaturarchiv, lange als Leiter der Bibliothek. Die vorzeitige Pensionierung Der Band mit seinen Gedichten, mit unendlich vielen Quellen, ja, fast schon überquellend davon, herausgegeben von Reinhard Tgahrt und Waltraud Pfäfflin, kommt aus dem nun mit 25 Jahren bald auch nicht mehr ganz jungen, aber wunderbaren Wallstein Verlag, der sich gerne um die zu Unrecht Vergessenen kümmert, wie etwa die begnadete Dichterin Gertrud Kolmar. Etwas mäkeln muß ich doch, weil sich das Buch von selbst öffnete, sprich, der noble, schlichte Buchdeckel vewarf sich ein wenig. Das sollte bei einem Preis von 24.- Euro eigentlich nicht vorkommen. In dieses Buch „Ludwig Greve – Die Gedichte“ werde ich mich weiterhin ausgiebig vertiefen und es deshalb keinesfalls verleihen, während mein Angebot für „Poet“, „Glück“ und „Humor!“ noch steht. Und Entschuldigung wegen des nicht gehaltenen Versprechens der Kürze! Kommt nicht wieder vor. Redaktion: Frank Becker |