Schlag nach bei Shakespeare!

Das TiC in Wuppertal punktet mit „Kiss me, Kate“

von Frank Becker
Premierenfieber
 
Theater auf dem Theater ist immer ein besonderer Spaß - auch für die Darsteller, die dabei selbstironisch aus dem (ihrem) Bühnenleben schöpfen können. „Kiss Me Kate“ von Samuel und Bella Spewack mit den unsterblichen Songs von Cole Porter ist so ein Stück, das auf mehreren Ebenen den Protagonisten gleich mehrere Chancen gibt, zu brillieren: im Shakespeare´schen Original und der Rahmenhandlung, als Schauspieler und als Sänger. Das gelang am Wochenende den Darstellern des Cronenberger TiC gleich zweimal hintereinander à la bonheur - bei vollem Haus und guter Stimmung in der spritzigen Inszenierung von Intendant Ralf Budde.
Nach 63 Jahren ist „Kiss me, Kate“ noch immer ein Publikumsmagnet. Und weil man im kleinen Wuppertaler Privattheater erfindungsreich ist, sich vorzüglich auch auf Musical-Stoffe versteht, über erstaunlich große Sing-Stimmen im Sprechensemble verfügt, gelingt es immer wieder (zuletzt in „My Fair Lady“) neben klassischem Theater und Boulevard auch im musikalischen Bereich Volltreffer zu landen. So also jetzt wieder mit „Kiss Me Kate“ in den prächtigen Kostümen von Kerstin Faber, die auch für die stimmungsvoll ausgestattete, ideenreiche Bühne zeichnet.

 
 Streit im Hause Baptista - v.l.:Jana Konietzki, Wolfgang Sprotte, Sabine Henke - Foto © Gerhard Bartsch
 
Theater auf dem Theater also: Fred Graham (André Klem) spielt im kulturfeindlichen Baltimore in (s)einer zweitklassigen musikalisch aufgebrezelten Inszenierung von Shakespeares Komödie „Der Widerspenstigen Zähmung“ vor leerem Haus den Petruchio, der die männerfeindliche, bissige Katharina zähmen muß, um mit ihr in den Hafen der Ehe segeln zu können und die fette Mitgift einzustreichen. Ausgerechnet seine „Geschiedene“ Lilli Vanessi (Sabine Henke), die ihn heimlich immer noch liebt (wie er sie), hat diese Rolle übernommen. So entwickelt sich die Geschichte zum doppelten „Zähmen“ mit allen nur denkbaren Verwicklungen. Nicht nur, daß Fred sich mit einem wenig engagierten Ensemble herumschlagen und den Seiltanz zwischen seiner Ex und der verführerischen Lois Lane (so heißt übrigens auch Supermans heimliche Liebe) bewältigen muß, es rücken ihm zu allem Überfluß auch zwei Gangster auf die Pelle, die das Geld von ihm fordern, welches Lucentio-Darsteller Bill (Henning Flüsloh) unter seinem Namen beim Spiel verloren hat. Reichlich Stoff für einen turbulenten Abend. Unsichtbar für das Publikum, aber sozusagen in einer glänzend besetzten Hauptrolle agiert dabei die Musik Cole Porters. Stefan Hüfner zog bewährt die musikalischen Fäden und bereitete den Boden für die unsterblichen Melodien und schmissige Tanznummern.


Wer zähmt wen? André Klem, Sabine Henke - Foto © Gerhard Bartsch
Die wortgewandte deutsche Text-Fassung von Susanne Felicitas Wolf zu der verzwickt komischen Handlung zwischen Globe und Off-Broadway tut ein übriges. Die Aufzählung der Hits, mit denen Cole Porters spritzige Bearbeitung von Shakespeares „Der Widerspenstigen Zähmung“ seit seiner Broadway-Premiere 1948 wuchern kann, reiht unsterbliche Evergreens aneinander, die seither wirklich die Spatzen von den Dächern pfeifen. „Premierenfieber(Another Op´nin´, Another Show)“ ist ungezählte Male auch anderenorts zitiert worden, der Walzer „Wunderbar“ ein Mitsummer, den man tief im Ohr verankert mit nach Hause nimmt, das fingerschnippende „It´s Darn Too Hot (Viel zu heiß)“ wurde in der Choreographie von Dana Großmann zur mitreißend heißen Ensemble-Tanznummer und „Wo ist die liebestolle Zeit? (Where Is The Life That Late I Led)“ geriet wie seine anderen Songs zum Triumph des hervorragenden André Klem als Fred Graham/Petruccio. Sabine Henke an seiner Seite gibt mit Temperament eine kratzbürstige Lilli Vanessi/Katharina, der mit „Kampf dem Mann (I Hate Men)“ die vielleicht meistbejubelte Paradenummer des Abends gelang. Beiden höchst charmanten Besetzungen der pfiffigen Lois Lane/Bianca (Jana Konietzki/Elisabeth Wahle) gelang das geschäftstüchtige Blondchen und dessen Motto-Song „Aber treu bin ich nur dir (Always True In My Fashion)“ zuckersüß.
 
Natürlich wartet man seit Wolfgang Neuss/Wolfgang Müller auch gespannt auf „Schlag nach bei Shakespeare (Brush Up Your Shakespeare)“, mit dem geflügelten Refrain. Die beiden Filmkomiker haben Maßstäbe gesetzt, die kaum mehr zu erreichen sein werden. Tobias Unverzagt und Reinhard Clement gaben die beiden bildungsbeflissenen Gangster und spielten/sangen sich als Ganoven mit Herz für die Bühne auch in die Herzen der amüsierten Gäste. Ein vergnüglicher Abend, den man sich ruhig zweimal gönnen kann.
 
 
  Irgendwelche Fragen? - v.l.: Tobias Unverzagt, André Klem, Reinhard Clement - Foto © Gerhard Bartsch
 
Informationen und Termine der nächsten Vorstellungen: www.tic-theater.de