Zum Durchatmen
Rudi Hurzlmeiers (*1952) Werk ist vielfältig. So vielfältig, daß eine komprimierte Zusammenfassung wie in dem dennoch verdienstvollen Kunstmann-Band der Reihe "Meister der komischen Kunst" nur eine Annäherung sein kann. Nun, das ist ja wohl auch die Intention der von WP Fahrenberg herausgegebenen, auf 40 Bände angelegten Reihe. Einige davon haben wir Ihnen hier schon vorgestellt, heute also Rudi Hurzlmeiers Kunst zum Durchatmen. Es ist nicht nur die staunenswerte Vielfalt seiner Cartoons, Witze, Comics und Ölbilder, die ihn so besonders macht - es sind vor allem seine überbordende Phantasie, die häufig die Trennlinie zur Boshaftigkeit überschreitende Satire und die über vielen Arbeiten liegende tiefe Melancholie. Rudi Hurzlmeier karikiert z.B. Georg Christoph Lichtenberg - und könnte selbst einer von dessen Art sein. Er ironisiert das Motiv von Francois Bouchers "Ruhendes Mädchen" (1752) für sein "Mädchen am Meer" oder setzt das Lady Godiva-Motiv des Bare Witch Project für seine "Lesereise" ein - als Titelmotiv des Buches ausgewählt (oben) - und zeigt damit gleichzeitig seine Lust am Schauen, an der Üppigkeit und die Liebe zum Öl. Bei aller leichten Heiterkeit liegt nicht nur über diesen Motiven die oben erwähnte Melancholie.
Lassen wir über der nackten Sinnenlust aber bitte nicht den Biß, die Idylle, den leisen Horror und die Abgründe außer acht, über welche die Hurzlmeierschen Sujets in Fülle verfügen. Beinahe Egnersche Dimensionen bekommt Hurzlmeiers Zeichenstift, wen er das pure Grauen zum Witz erhebt, wie in den folgenden beiden Blättern. Links sehen Sie "Der Citronenhändler im Winter", das Psychogramm eines durch den Alp der Nacht gegangenen, gespaltenen Menschen, dessen Nachtmahre noch geifernd nach der Seele des Ärmsten lechzen. Ein Trost immerhin: Apfel und Schlange der Verführung hat es ebenfalls erwischt. Hurzlmeier untertitelt das mit wenig subtiler Direktheit: "Nach einer langen Nacht voll Sorgen... / graut ein sorgenvoller Morgen".
Zu Rechten sehen Sie ein kaum weniger Grauen verursachendes Bild, das einen an Krücken gehenden beidseitig Beinamputierten zeigt, dessen fehlende Beine durch ein Paar gnomenhafter Zwillinge ersetzt wurden. Klagend ruft der Krüppel aus: "Ohjeh, ein verdammtes Schlammpfützchen!! Wer wird mir wohl ein Mäntlein darüber breiten?" Bei diesem Entwurf müssen Hurzlmeier und Eugen Egner gemeinsam beim Rotspon gesessen haben, anders kann ich mir das nicht erklären. Aber Hurzlmeiers unverblümte Art und Weise, mit Hingabe und Liebe zum charmanten Detail den Leidenschaften der Menschen zärtlich Rechnung zu tragen, so wie er es in dem köstlichen Werk "Die Sonnenuhr" tut, versöhnt mit solchen mehr als schwarzhumorigen Tableaus. Schaut man sich die Protagonisten der Sonnenuhr an, sieht man beiderseitige Zufriedenheit über den Stand der Dinge. Ist es nicht das, was wir uns - so oder so - alle wünschen? solche Zufriedenheit zeichnet auch viele der berühmten Tierportraits Hurzlmeiers aus, ob es die "Coole Sau" ist, der Cowboystiefel tragende Rabe, der gemüt-liche "Stubentiger", der hygienische Bär oder nicht zuletzt die beiden Hühner auf der Parkbank, die wir Ihnen am Schluß dieser Betrachtungen vorstellen werden. Freuen Sie sich hier und jetzt aber erst einmal über das Vergnügen von Herrn X und Frau Y an der Sonnenuhr:
Kommen wir noch einmal auf die Zufriedenheit zu sprechen. Während Hurzlmeiers Schreckensvision "Vollmond" mit allen Widrigkeiten konfrontiert, die im Schlaf über den unschuldigen Träumer kommen können: in dunkler Nacht im Bett auf einem Strom treibend, gegen den Sog des reißenden Flusses zu rudern, der ihn dem dräuenden Wasserfall entgegen treibt, vor dem rettenden Absprung durch einen mit Appetit das Unglück verfolgenden Hai gehindert - und gegen die mit der Wucht seiner mit Größe erschlagenden Bergstücke "Bolzplatz in den Anden", "Fernweh" oder dem "Wallfahrtsort", weiß er sehr wohl das kleine Glück zu preisen.
Ist das hier links zu betrachtende Motiv des Schornsteinfegers über den Dächern der Stadt nicht pure Kontemplation? Und steckt nicht die "Coole Sau" zur Rechten förmlich mit ihrer Zuversicht an? Ja, Rudi Hurzlmeier, auch dafür danken wir dir ebenso wie für Deine Gemeinheiten, Schrecksekunden und wuchtigen Werke. Meister der komischen Kunst: Hurzlmeier © 2011 Verlag Antje Kunstmann
112 Seiten, gebunden, 23 x 17,5 cm mit mehr als112 Illustrationen
ISBN 978-3-88897-735-0 - Hrsg. von WP Fahrenberg, mit einer Einleitung von Michael Skasa und einem launigen Interview mit dem Künstler. 16,- €
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