Der Tod, das muß ein Wiener sein

Michael Frowin mit seinem Kreisler-Programm "Taubenvergiften für Fortgeschrittene"

von Frank Becker

Michael Frowin - Foto © Theaterplatz
Wenn die Mädchen
nackt sind...
 
Spätestens seit „Tauben vergiften“ hat der eigentlich durch Robert Schumann musikalisch besetzte Begriff „Kreisleriana“ eine gewichtige neue Bedeutung bekommen. Georg Kreisler (* 1922), der Großmeister des schwarzen Chansons, der bösen Ballade, der makabren Muse trägt Schuld daran, daß Generationen von Kabarett- und Chanson-Freunden anderes denken als andere. Hört nämlich der Normaltourist von Dürnstein an der Donau, denkt er an liebliche Flußbiegungen und Grünen Veltliner - die Jünger Kreislers denken an Mord und Totschlag im fröhlichen Geiste von „Bidlah Buh“. Beim Stichwort „Zirkus“ haben jene tanzende, die anderen brennende Elefanten vor Augen, der eine spricht von Politikern, der andere nur noch Poli-tickern und der gewöhnliche Freund von Liebeslyrik liebt den Blick in zwei blaue Augen, während der Kreislerianer sich nicht mit weniger als dreien zufrieden gibt.
 
Am vergangenen Sonntag, dem 9. Oktober eröffnete das Theater Velbert seine Kooperation mit der Vereinigten Gesellschaft zu Langenberg würdig mit einem erlesenen Kreisler-Abend, den der Chansonnier und Kabarettist Michael Frowin, am Klavier begleitet von Jochen Kilian, unter dem Titel „Taubenvergiften für Fortgeschrittene“ quasi als Hitparade der schwarzhumorigen Lieder des widerborstigen Wieners zusammengestellt hat. Selbstverständlich dabei: das herrlich gruselige „Als der Zirkus in Flammen stand“, das gefühlsselige „Zwei alte Tanten tanzen Tango“ mit seinen unnachahmlichen Reimen, „Der Musikkritiker“, „Der Tod, das muß ein Wiener sein“ mit typischem Schmäh, das lakonische „Mein Weib will mich verlassen“, das dramatische "Schnitzler in Hollywood" und andere Perlen der Kreislerschen Liedkunst. Kreisler und mit ihm Frowin legt es darauf an, die Absurdität zur scheinbaren Normalität zu erheben, das Unbeschreibliche zu besingen. Kopieren kann man ihn nicht, also interpretiert Frowin Kreisler mit metallisch schneidender oder im warmen Bariton einlullender Nonchalance.
 
Beinah alles gelingt ihm dabei im Sinne des Meisters vortrefflich, „Sie is a herrliches Weib“ und der „Opernboogie“ sowie die prickelnd erotische, deftige Ballade „Wenn die Mädchen nackt sind (sind die Leute still)“ über die Lust am Schauen gar besonders köstlich. Jaja, da lauscht man unwillkürlich noch konzentrierter – und fühlt sich ertappt. So will Georg Kreisler das. Damit man nicht von der Wortgewalt der grandiosen Kreisler-Texte erschlagen wird, lockert Michael Frowin das Programm durch tagesaktuelle kabarettistische Einschübe auf, schiebt juristische Späße aus dem wirklichen Leben ein und erschreckt, nein: amüsiert sein Publikum durch das rücksichtlose Verlesen von Gedichten der unsäglichen Kristiane Allert-Wybranietz. Auch Liebeslyrik kann sehr weh tun. Das ist verdammt nah an der Folter, Herr Frowin!

Foto: Archiv Musenblätter
 
Als Zugabe, quasi zum Nachtisch hatte sich Michael Frowin das unverzichtbare „Taubenvergiften im Park“ aufgehoben, das einst empörte Tierschützer auf die Barrikaden rief und nach dem ich ganz persönlich ein Grahambrot mit anderen Augen betrachte:

Der Hansl geht gern mit der Mali,
Denn die Mali, die zahlt's Zyankali,
Die Herzen sind schwach und die Liebe ist stark
Beim Taubenvergiften im Park!

Ein höchst amüsanter Abend, ein brillanter Startschuß für die neue Veranstaltungsreihe in den Räumen der Vereinigten Gesellschaft zu Langenberg.

Mehr
über Georg Kreisler
hier in den Musenblättern und unter www.agentur-hegmann.de
Mehr über Michael Frowin unter www.frowin.de  und  www.theaterplatz.com