Auf Schritt und Tritt
Am Sonntag öffnet in der Kunsthalle Barmen des Wuppertaler Von der Heydt-Museums eine in ihrem Sujet wohl einzigartige Ausstellung ihre Pforten: DEAD_Lines. Solange Künstler sich mit dem Leben beschäftigt haben, ist auch dessen Ende das Thema. Der Tod ist auf Schritt und Tritt im Leben dabei, daher auch topisch für die bildende Kunst. Raffael, Albrecht Dürer, Hans Baldung, Alfred Rethel und Gustav Klimt haben den Tod gemalt, Arnold Böcklins "Toteninsel" ist so legendär geworden wie Jacques-Louis Davids "Tod des Marat" (1793) und Wolf Vostell hat den Tod zum Fluxus-Thema gemacht. Francisco de Goya, A. Paul Weber, Edvard Munch, Bazon Brock, Salvador Dali haben sich mit dem Unausweichlichen beschäftigt - die Zahl der Künstler ist Legion. Erst kürzlich veröffentlichte der Lappan Verlag mit "SensenMan" einen Band mit Cartoons zum Tod, der mit den großen zeitgenössischen Zeichnern publikumsnah die makaber-witzige Seite des Sterbens und seiner Umstände präsentierte. Womit wir beim Heute sind - und uns dem Charakter der aktuellen Ausstellung in Wuppertal nähern. Die Kuratoren Dr. Birgit Richard und Dr. Oliver Zybok haben ihr Augenmerk auf die zeitgenössische Kunst gerichtet - genauer: auf die letzten 20 Jahre - und 120 Arbeiten von 56 internationalen Künstlern für ihre Psäsentation zusammengetragen. Gezeigt werden Gemälde und Zeichnungen, Video- und
Mit seiner skulpturalen Installation "Anzug" (2007), einer männlichen Schaufensterpuppe im dezenten Nadelstreifenanzug, ausgerüstet mit einem Scharfschützengewehr und Unmengen von Munition hat MK Kaehne vier Jahre vor dem grauenhaften Massaker auf der norwegischen Ferieninsel Utoya wie in einer alptraumhaften Ahnung ein künstlerisches Dokument von erschreckender Aktualität geschaffen. Kaehne erreicht es durch zwei eindeutige Hinweise, den Finger am Abzug der Waffe und das Fehlen der oberen Kopfhälfte, also des Gehirns, die allen Massenmördern, welcher Motivlage auch immer, gleiche Grundsätzlichkeit unmißverständlich darzustellen. Apokalyptisch auch Markus Selgs "Der Vorhof" (2004), ein grandioses Tableau in der Tradition eines Goya.
Schon zu Lebzeiten Ikone und durch ihren mystifizierten Tod beinahe zur Heiligen geworden ist Diana Spencer, Princess of Wales, "Königin der Herzen" der Yellow Press und ihrer Leser(innen). Ihr hat - ich erwähnte es oben - der Holländer Erwin Olaf mit seinem Gemälde "Di † 1997" aus der Serie "Royal Blood" ein makabres Denkmal gesetzt, das nun selbst das Zeug hat, zur Ikone zu werden. Nicht ohne Grund wurde dieses Bild als Plakat- und Werbemotiv für die Wuppertaler Ausstellung ausgesucht. Eines der eindrucksvollsten Werke der Wuppertaler Ausstellung und durch seine Teilnahme wirklich sensationell ist Gregory Crewdsons 145 x 223 cm große Fotoinszenierung "Esther Terrace" (2006). Crewdson beherrscht wie kein zweiter in der Fotografie die Gegenwart der Tristesse bis hin zur düsteren Existenzangst einzufangen. Vor ihm hat das in der Malerei Edward Hopper zur Perfektion gebracht. Gregory Crewdsons Entwürfe sind jedoch von ungleich komplexerer Anlage. Gewiß ist er seit Beginn des 21. Jahrhunderts einer der weltweit maßgeblichen Fotografen.
Nicht gezeigt werden dankenswerterweise Beispiele der entsetzlichen "Plastinate" des Kunst-Scharlatans Gunter von Hagens - Wuppertals Museumsdirektor Dr. Gerhard Finckh hat die nachvollziehbare Begründung zur Hand: "Das ist keine Kunst, sondern Handwerk und für die Kunstwelt unbedeutend." Dem ist wohl nichts hinzuzufügen. Ich habe Ihnen hier nur einige der 70 in Wuppertal ausgestellten Arbeiten vorstellen können. Ein Besuch in der Ausstellung lohnt auf jeden Fall - sicher auch ein vergleichender/ergänzender Besuch in der Städtischen Galerie Remscheid eine Woche später. Vernissage in Wuppertal ist am Sonntag, dem 16. Oktober 2011, 11.30 Uhr Kunsthalle Barmen - Geschwister-Scholl-Platz 4-6 - 42275 Wuppertal
Zu den Ausstellungen ist ein von beiden Museen gemeinsam herausgegebenen hervorragender Katalog erschienen, der in aller Ausführlichkeit mit brillanten Abbildungen (alle Exponate werden im Bild gezeigt) und diversen Aufsätzen das Thema vorstellt:
DEAD_Lines - Hrsg. von Oliver Zybok und Birgit Richard, Texte von Verena Kuni, Thomas Macho, Birgit Richard, Manfred Schneider, Oliver Zybok u.a. © 2011 Verlag Hatje Cantz, ca. 256 Seiten, ca. 200 farbige Abb., Deutsch/Englisch
24,50 x 30,50 cm, gebunden, ISBN 978-3-7757-3005-1 - 39,80 €
Weitere Informationen: www.hatjecantz.de - www.von-der-heydt-kunsthalle.de |