Die Schweiz auf Schusters Rappen

Franz Hohler - "52 Wanderungen"

von Frank Becker

Die Schweiz auf Schusters Rappen

Vor vier Tagen bin ich sechzig geworden“, beginnt Franz Hohler das erste Kapitel seines Erfahrungsbuches „52 Wanderungen“. Ein Jahr lang hat sich der Schweizer Autor und Kabarettist aus Anlaß seines 60. Geburtstags von der Bühne und allen anderen beruflichen Verpflichtungen zurückgezogen, um „in dieser Zeit für das Alter zu üben“. Ein Jahr lang hat er Woche für Woche mit der Bahn und mit dem Bus ein anderes Ziel in seiner Heimat angesteuert, um es schließlich mit den Füßen zu erwerben. Ein Jahr hat 52 Wochen und in 52 knapp gehaltenen und dadurch gut verdaulichen Kapiteln erzählt Franz Hohler von diesem Erwerb, der zur Entdeckungsreise nicht nur durchs Land der Väter (nebst einigen Ausflügen in die Umgebung und „Ausreißern“ wie das walisische Ystradfellte) und zu den Menschen geworden ist, die es bewohnen - nicht zuletzt wurde es eine Reise, die reiche literarische Früchte trug.

Befragt, ob er ein Feuilletonist sei, hat Franz Hohler 1997 einmal sehr entschieden geantwortet: „...ach ja“. In diesem faszinierenden Wanderbuch tritt er zehn Jahre danach 52mal den Beweis dafür an. Nichts anderes nämlich sind seine Berichte aus Chur, First und dem Sihltal, von Touren durchs Wallis, Tessin und Liechtenstein, aus Kiesen, Bern und Walsers Herisau. Feuilletons, wie sie heute kaum noch einer schreiben kann, Feuilletons, wie sie allenfalls noch Erwin Grosche beherrscht, wenn er über seine Paderborner  Heimat schreibt. Franz Hohler hat sich Butterbrote geschmiert, den Rucksack geschultert und ist ohne Erwartungen - das ist klug - auf die Wanderschaft gegangen. Umso intensiver haben die Eindrücke von Landschaften und Begegnungen auf ihn gewirkt. 

Es sind doch recht private Zeilen, durch die man sehr nah an den Menschen Franz Hohler herankommt. Neben seinen handfesten Beschreibungen der erlebten Wanderungen und Begegnungen fließen Traumbilder/-erinnerungen wie in „Schwarzwaldschluchten“ und historische Panoramen wie mit dem Text „Katastrophen“ ein. Vor Jahren begonnenes kann Hohler jetzt endlich vollenden: „Das Baumberger-Denkmal“, Geschichten einflechten: „Heiligabend“ und Wahrheit und Fiktion ineinander verlaufen lassen. Besorgt über die mögliche politische Entwicklung im eigenen Land prüft er einen Fluchtweg vom Wohnort Zürich-Oerlikon hinüber nach Deutschland: 4 Stunden und 45 Minuten. Aber das ist nur hypothetisch. Wahr sind Sätze wie „Es gibt Landschaften, in die kommt man nach Hause“. Ein Abenteuerbuch.
 
Franz Hohler – „52 Wanderungen“
© 2005 Luchterhand Verlag, 233 Seiten, geb. mit Büttenumschlag,
19,- €
(btb Taschenbuchausgabe 8,- €)

Weitere Informationen unter: www.luchterhand-verlag.de - www.randomhouse.de