Ein Interview mit Franz Hohler im Jahr 1997
Als ich den Text unseres Mitarbeiters Robert Sernatini zu Franz Hohlers „112 einseitige Geschichten“ auf den Schreibtisch bekam, erinnerte ich mich an ein Interview, das ich vor exakt zehn Jahren im Düsseldorfer „Kom(m)ödchen“ mit dem außergewöhnlichen und höchst sympathischen Kabarettisten, Schriftsteller und bewundernswerten Menschen Franz Hohler geführt habe. Es hat, liest man es heute noch einmal, abgesehen von seiner in der Zwischenzeit beachtlich angewachsenen Bibliographie, nichts von seiner Gültigkeit, Franz Hohler nichts von seiner Wahrhaftigkeit verloren. Kleine Ergänzungen zur Bibliographie haben es behutsam á jour gebracht. Ich wünsche ihnen ein schönes Leben!
Auf der Bahnfahrt von Zürich nach Düsseldorf konnte er aufschnappen, wie ein "guter" Schweizer Staatsbürger zu seinen im Abteil sitzenden Geschäftsfreunden sagte: "Da drüben sitzt der Hohler, den hätte ich lieber nicht als Mitreisenden."
Wenn er auch darüber lächelt und ihm der Dummkopf unabsichtlich eine erzählbare Geschichte spendiert hat, muß es doch schmerzen, soviel Ignoranz zu begegnen. Franz Hohler ist den Bequemen unbequem. Er ist einer der ganz Großen des deutschsprachigen literarischen Kabaretts, liebenswert mit einem großen Herzen für Kinder und die Schwächen der Mitmenschen, einer, der nach seiner Lebensmaxime befragt antwortet: "Wenn ich mich frage, wie ich handeln soll, dann sage ich mir: lebensfreundlich." Er ist ein sanfter Mensch, Pazifist ohne parteipolitische Anlehnung, der sich selbst als links bis grün, aber liberal
Wurzeln – Kollegen - Œuvre 1943 in Biel geboren, faßte Franz Hohler 20-jährig zwei Ziele ins Auge: a) ein Studium zu absolvieren und anschließend Mittelschullehrer zu werden - oder b) zu schreiben, aufzutreten, mit seinen und durch seine Ideen zu leben. Mit Weg b) hat er sein Ziel erreicht - wenn man auch mit Bedauern fest stellen muß, daß ein Lehrer solchen Schlages dadurch leider dem Schuldienst abgeht - und seine Ideale hat er bis heute nicht verleugnen müssen. Er brach das Studium in Zürich zugunsten seines ersten Soloprogramms ab und arbeitet seitdem freischaffend für Rundfunk, Bühne, Fernsehen und Verlage und schreibt dazwischen seine Solo-Abende, mit denen er auf Tournee geht. Im Grunde seines Herzens ist Franz Hohler ein Einzelgänger, wenn er auch erfolgreiche Zusammenarbeiten mit René Quellet und Emil Steinberger sowie mit Hanns Dieter Hüsch (1925-2005) hatte. Und gerade weil er erklärter Solist und Einzelgänger ist, findet er funktionierende Zusammenarbeiten wie die genannten wunderschön. Das Doppelprogramm Hohler/Hüsch im April 1996 war ein treffender Beleg dafür. Hohler schaut und schreibt: Erzählungen, Theaterstücke, Wegwerfgeschichten (von ihm erfunden und Publikumslieblinge geworden), Romane, Kinderbücher, Gedichte und immer wieder Kabarett-Soli, von denen mir als besonders erfolgreich die "Nachtübung", der "Schubert-Abend" und „Es sind alle so nett" in Erinnerung sind. Er begleitet sich auf dem Cello, anfangs hatte er sich eins aus Kistenbrettern “selber gemacht" und es auch gleich besungen. Auf die festlegende Frage, wo er sein Schwergewicht in puncto Literaturschaffen sieht, gibt Hohler schmunzelnd zurück: "In der Vielfalt, in der Gewichtsverteilung." Sein Œuvre zeigt es.
Der anfängliche Vorsatz, keinen Roman zu schreiben, "erledigte" sich durch die Kinder (er hat zwei Söhne), er schrieb für sie "Tschipo", dem noch zwei weitere "Tschipo"-Romane und andere Publikationen für Kinder sowie etliche Romane auch für Erwachsene gefolgt sind.
Texte – Bücher - Programme
Die Frage, ob er ein Feuilletonist sei, wie Michael Krüger in "Franz Hohler - Texte, Daten, Bilder" meint, beantwortet er mit einem entschiedenen "ach ja". Er fühlt sich in der kurzen Form ganz gut zu Hause, hat das Gefühl und Bedürfnis, einen Eindruck vom Tage, ein Bild, etwas, was er gehört hat oder auch nur einen Spaziergang festhalten zu wollen - was anderes wäre das Feuilleton? Hohler ist ein bekennender Fußgänger, was seiner Offenheit für Eindrücke sehr entgegenkommt. Allerdings lehnte die Neue Zürcher Zeitung kürzlich ein Manuskript von fünf Seiten A 4 als zu lang ab (Haben Sie nicht was kürzeres da?) - was die Freiheit des Feuilletonisten im wahrsten Wortsinn beschneidet. Das Videoclip-artige greift auch hier Raum, das Feuilleton gehört zu den bedrohten Arten. (Dem Fußgänger Hohler ist der wunderschöne feuilletonistische Band „52 Wanderungen“, 2005 Luchterhand zu verdanken - er wird am 5.8.07 in den Musenblättern vorgestellt.)
Bei der Vielfalt der Veröffentlichungen kommt natürlich wieder die Frage nach dem Kabarett auf und ob es noch wie zu Beginn erste und wichtigste Disziplin ist. "Es ist die Konstante, die
Seine Texte verfaßt Hohler in Hochdeutsch (Geschichten, Erzählungen, Gedichte, Kindergeschichten, Romane) und in Schweizerdeutsch (Kabarett, Lieder u.a.), er versteht sich zweifellos als deutschsprachiger Künstler, Zeitungs- und Amtssprache seiner Heimat ist Deutsch. Bei jungen Leuten stellt er neuerdings einen Rückzug auf den Dialekt fest, was Ursachen haben muß. Kabarett wird mitunter "verlustreich übersetzt", denn der Duktus ist nicht immer zu übertragen - das ergibt dann neue Texte. Mit den hochdeutschen Versionen von "Drachenjagen" und "Flug nach Milano" z.B. ist er nicht glücklich. Die sind im Schweizerischen besser. Was er vorträgt, muß 1 a sein, 1 b ist nicht zulässig. Sein derzeitiges (1997) Tourneeprogramm „Wie die Berge in die Schweiz kamen" ist 1 a, enthält Teile erfolgreicher früherer Abende, Lieblingsnummern und neue Texte.
Die Freiheit der Entscheidung
Franz Hohler sucht wie alle Schriftsteller eigene Wege, schätzt aber auch Zeitgenossen, so z.B. Urs Widmer und Peter Bichsel. Er fühlt sich nicht in der Pflicht, ein Œuvre zu komplettieren, liebt es, nach Schmetterlingsart von Blüte zu Blüte zu flattern, hat neben Beatles, Dylan, Bellman und Vian auch einen Song von "MetalIica" ins Schweizerdeutsche übertragen.
Er behält sich die Freiheit vor, jederzeit aufzuhören, wenn er will, wozu er natürlich nicht die geringste Lust hat. Er kann sich vorstellen, weniger aufzutreten und mehr zu schreiben Der Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor der Stiftung Bückner-Kühner, mit dem auch Literaten wie Hanns Dieter Hüsch, Loriot, Ernst Jandl, Robert Gernhardt, Peter Bichsel und Eugen Egner ausgezeichnet wurden, gehört zu den ehrenhaftesten Auszeichnungen für sein Werk. Das nennt man einen veritablen Olymp.
Unmöglich hier sämtlich Franz Hohlers Veröffentlichungen aufzuzählen, ein paar Empfehlungen aus dem 1997 lieferbaren Programm und Hinweise auf Vergriffenes und einige der Neuerscheinungen seit damals seien mir erlaubt: „Das verlorene Gähnen“ (Benteli Verlag), "Wegwerfgeschichten" (Zytglogge Verlag), „Das Kabarettbuch“, "Vierzig vorbei“, "Da, wo ich wohne“, „Die Steinflut“, „Die Torte“, „Der Rand von Ostermundingen“ und "Die blaue Amsel", „111 einseitige Geschichten“, „112 einseitige Geschichten“ (Luchterhand). Am 28. August 2007 erscheint bei Luchterhand der neue Roman „Es klopft“.
Lesen sie Franz Hohlers Bücher und hören sie seine Programme - sie werden den tiefgründigen Humor des sanften, freundlichen Mannes mögen, der sein Publikum mit dem warmherzigen Wunsch entläßt: "Ich wünsche ihnen ein schönes Leben!“
Weitere Informationen unter: www.luchterhand-literaturverlag.de und www.randomhouse.de
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