Vielfalt des Mittelmaßes

Das Radisson BLU - Schwarzer Bock (Wiesbaden)

von Peter Bilsing

Foto © Benjamin Thorn / pixelio.de
Radisson BLU -
Schwarzer Bock (Wiesbaden)
 
Vielfalt des Mittelmaßes
 
Das 5-Sterne Radisson BLU liegt verkehrsgünstig mitten in der City von Wiesbaden, nur fünf Minuten von der Oper entfernt. Das Hotel arbeitet wie mein Autohersteller. Der Basispreis ist Augenwischerei. Die 109 Euro für die Nacht addieren sich blitzschnell zu 158, wenn man die Parkpauschale und das Frühstück hinzuaddiert. Drei Drinks in der Bar, die wenig stilvoll ohne Untersetzer serviert werden und man hat die 200-er Grenze blitzschnell überschritten.
Doch zurück zum Entrée. Mit einem Fahrzeug, das auch das Blu, wenn auch mit zusätzlichem e, im Titel trägt - nämlich Blue-Motion - denke ich besonders freundlich empfangen zu werden. Am Empfang werde ich in meiner Strickjacke und mit Birkenstock-Clogs sowie Sporttasche kritisch und blasiert von einem anscheinend adligen Ober-Concierge durch die Brille mißtrauisch beäugt. Meinem präsentierten HRS-Internet-Reservierungsbon widmete er keinen Blick - Verachtung entströmt seinen Zügen. Könnte es sein, daß diese Buchungsmethode mich als eine Art schäbigen Kleinverdiener ausweist? Sozusagen als ein Hotelgast zweiter Klasse?
„Name! - Kreditkarte!“ Klingt wie früher beim Barras „Stillgestanden!“
Die Frage ob ich den Parkservice nutzen wolle, war eigentlich überflüssig, denn ich konnte mein Fahrzeug ja nicht mit aufs Zimmer nehmen und vor dem Hotel gibt es nur eine Handvoll Plätze. Auf mein Ja! kam sofort die Replik Kostet aber 25 Euro - egal ob wir Ihr Fahrzeug vor dem Hotel oder im Parkhaus abstellen! Meinem kritischen Blick und der kurzen Bemerkung, daß mir ja nichts anderes übrig bleibe, begegnet der Empfangsgeneral schnippisch Entschuldigung, mein Herr - Sie sind hier in der City von Wiesbaden! Was immer er damit sagen wollte; ich beschließe demnächst mit Zug und Taxi anzureisen.

Das Zimmer im dritten Stock finde ich alleine. Wie nett: Auf dem Tischlein begrüßen mich zwei Mineralwasserflaschen. Allerdings steht auf dem angehängten Schildlein nicht „Herzlich Willkommen“ sondern „7,40 Euro“! Die zweite Flasche ist ohne Kohlensäure - auch „7,40 Euro“.
Na wenigstens ist das Kabelangebot gratis und vielfältig und das Bett lang genug. Es gibt rund 60 verschiedene Kanäle - davon 20 arabische und sogar mehrere russische Sender - Dunnerlittchen! Sagt uns das etwas über die Hauptklientel des Hotels? Wohl eher nicht, ich werte es als ein Zeichen für guten Service - obwohl ich einen türkischen Kanal nicht entdecke.
Die kurze Zeit bis zum Opernbeginn verweile ich im "Dschihad-TV" (oder so ähnlich) - leider wird in dieser Zeit weder eine Steinigung, noch eine ordentliche Auspeitschung übertragen; noch nicht einmal die passable Live-Aufhängung eines Christen oder anderer Ungläubiger. Pornofilmchen gibt es nur im Dreierpack für 18 Euro (anscheinend ein Sonderpreis), während das Pay-TV Kinoklassiker schon für 7 Euro auch einzeln anbietet.
 
Die Turandot-Premiere in der Hessischen Staatsoper ist ein Katastrophe, sodaß ich beschließe, mich in der Hotelbar noch ordentlich zu besaufen. Leider läßt der Fuffi, den ich noch bar habe, nur ein paar Bierchen zu. Anschreiben lasse ich nicht. Die Getränkepreise entsprechen denen in der Rio-Rita-Bar Düsseldorf - allerdings dort mit barbusigem personal Service.
Daß man zu einem 5-Sterne-Frühstück Kaffee in billigen Thermoskannen (die meinige war auch noch fast leer!) serviert bekommt, wie an der Pommes-Bude bei Kanaken-Fritze auf der Reeperbahn, verwundert. Rührei steht auf dem Kessel - kaltes Stockei ist drinnen. Die Bratwürstel sind nur leicht angebraten und die Minifrikadellen schmecken wie von Aldi. Ansonsten ist das Buffet aber ausreichend reichhaltig - die verschiedenen Brötchen sind auch am Sonntag knusprig. Es gibt die üblichen Billigwurstsorten und etwas Käse. Kein Lachs, keine Crevetten, kein Roastbeef. Dinge, die in einem 5-Sterne-Hotel selbstverständlich sein sollten. Eine gewisse Vielfalt des Mittelmaßes ist aber gegeben.

Da mein Fahrzeug vom Oberchauffeur des Fahrdienstes direkt am Hotel parkiert worden war, wollte ich nach dem Frühstücks-Genuß mein vergessenes Handy aus dem Wagen holen. Dazu mußte ich aber meinen Parkschein an der Rezeption gegen den Schlüssel austauschen. Der Empfangsgeneral von gestern hatte schon wieder Dienst. Merde alors...
Schuldbewußt mache ich mich drei Zentimeter kleiner und bitte höflich um meine Autoschlüssel. Dagegen kann man doch wohl nichts sagen - so denke ich - insbesondere da mein Einlader das Hotel schon am Vortag bezahlt hat. Denkste!
Ich hatte die Rechnung ohne den Generalfeldmarschall, unseren Gesichtskontrolleur, gemacht. Entschuldigung, Haben Sie schon ausgecheckt!? Ich antworte verdutzt: Nein, sorry - ich wollte nur mal eben mein Handy aus dem Auto holen und hätte gerne meinen Autoschlüssel!
„Na, den Schlüssel lassen wir mal schön noch hier bis sie ausgecheckt haben!“ Wenigstens hat er nicht noch „Freundchen“ ergänzt. Ich frage eine hinter mir stehende Dame, ob mir irgendein Scherzkeks vielleicht ein Schild „Hartz-4-Empfänger“ oder „Asi“ angeklebt hat?
 
Absolut sprachlos beschließe ich beim nächsten Mal das Erste Haus am Platz, den gegenüberliegenden Nassauer Hof zu buchen - nebenkostenbereinigt kaum teurer, allerdings kostet dort die Sauna extra, aber zum Frühstück gibt es Lachs und Roastbeef, sowie frische Rühreier.
Fünf Minuten später stehe ich also wieder mit meinen gepackten Sachen und Blutdruck 250 an der Rezeption. Wenn ich jetzt meinen Wagenschlüssel nicht bekomme gibt es ein Blutbad. Der Haushofmeister am Empfang symbolisiert mir mit einem kurzen Blick: Na also - geht doch!
Meinen Autoschlüssel bekomme ich aber noch nicht, denn Oberst Eingansportier fragt noch kritisch nach der Nutzung der Mini-Bar. Mein spontanes Nein läßt ihn skeptisch zögern und ich stehe kurz davor zu bemerken Bitte schauen Sie doch selber nach - ich warte natürlich so lange. Man kann heutzutage keinem trauen!
Er überlegt einen kurzen Moment und dann geschieht das Lohengrinsche Wunder: Ich bekomme doch noch meine Wagenschlüssel! Die weiteren herumlaufenden Angestellten, sowie der Oberchauffeur-Parkiermeister zählen imaginäre Fliegen an der Decke. Nicht ansatzweise taucht die Frage auf, ob man vielleicht meine Koffer zum Auto tragen dürfe...
Fazit: Liebe Freunde, auch der finsterste Portier hat mal Urlaub. Buchen Sie also dennoch bitte demnächst trotz meiner ketzerischen Zeilen, denn ich gehe davon aus, daß der Generalmanager beim nächsten Personal-Fortbildungsseminar „Qualitätsmanagement“ diese Zeilen für eine Klassenarbeit seiner Mitarbeiter nutzen wird. Es kann nur noch besser werden! Nur bitte: Geben Sie ihren Autoschlüssel nicht aus der Hand, oder bringen den Zweitschlüssel mit.
 
In diesem Sinne
 
Ihr
Dr. Peter Bilsing 
Chefredakteur und Herausgeber DER OPERNFREUND
 
 
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JÄGERHOF ** - 45 Euro (400 Meter zum Zentrum)Bahnhofstrasse 6, 65185, Wiesbaden - Stadtmitte
CITY HOTEL *** - 56 Euro (600 Meter zum Zentrum) 1 Flasche Mineralwasser gratis - Wellritz Str. 6, 65183, Wiesbaden - Zentrum
LUISENHOF GARNI *** (300 Meter zum Zentrum) Bahnhofstr. 7, 65185, Wiesbaden - Zentrum
ACHAT PREMIUM *** (300 Meter zum Zentrum)Mauritiusstr. 7, 65183, Wiesbaden - Zentrum
 
Redaktion: Frank Becker