Der Insulaner

„Schlag nach bei Neumann“ - hrsg. von Volker Kühn

von Frank Becker
Schlag nach bei Neumann

Günter Neumann und das Kabarett
 
 
„Er ist nicht nur in Berlin geboren, er ist auch der geborene Berliner.
Mit seinen Insulaner-Sendungen hat er etwas fertiggebracht,
für das wir ihm Dank schulden. Er hat Berlin lachen lassen,
über Zustände, über die wir eigentlich hätten weinen müssen.“
Curt Flatow

Der Berliner Günter Neumann (1913-1972) gehörte zu den Großen der kleinen Form, er war als Texter, Komponist und Pianist ein Alleskönner auf dem weiten Feld der fälschlich oft die „leichte“ genannten heiteren Muse. Die große Kunst besteht eben darin, das Schwere für den Hörer, Leser, Konsumenten leicht, federleicht erscheinen zu lassen. Günter Neumann hatte das im Blut.
Als Mitglied des „Kabarett der Komiker“ und der „Katakombe“, kurz nach dem 2. Weltkrieg des „Ulenspiegel“, vor allem aber von 1948-1964 als Chef des legendären West-Berliner Rundfunk-Kabaretts „Die Insulaner“ hat sich Günter Neumann nachdrücklich einen Ehrenplatz in den Annalen der deutschsprachigen Kleinkunst gesichert.

© 1954 Blanvalet Verlag

Aber auch als Autor ungezählter oft tagespolitisch aktueller Chansons, Lieder und Schlager, als Filmkomponist und Drehbuchautor ist er aus der populären deutschen Kulturgeschichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht wegzudenken. Die nach seinen Drehbüchern, oft von Kurt Hoffmann inszenierten Filme „Berliner Ballade“, „Feuerwerk“, „Das Wirtshaus im Spessart“, „Wir Wunderkinder“ und „Der Engel, der seine Harfe versetzte“ haben Filmgeschichte geschrieben. Zu ewigen Gassenhauern wurden z.B. seine von dem Duo Wolfgang Müller / Wolfgang Neuss unsterblich gemachten Lieder „Schlag nach bei Shakespeare“, das in seiner deutschen Fassung von „Kiss me, Kate“ jedes Mal der Knüller ist und „Ach das könnte schön sein“ aus „Das Wirtshaus im Spessart“.
 
Jeder West- und jeder Exil-Berliner hing von 1948 an so oft es ging am Radiolautsprecher, wenn die „Insulaner“ im Programm waren, das mit Satire, Parodie und viel Mutterwitz Mut machende Programm im RIAS (Rundfunk im amerikanischen Sektor) Berlin. Mit u.a. Herrn Kummer (Bruno Fritz, 1900-1984), dem Jenossen Funzionär (Walter Gross, 1904-1989), Ewald Wenck (Urberliner, 1891-1981), Agnes Windeck (1888-1975) und Neumanns Ehefrau Tatjana Sais (1910-1981) als Klatschbasen und der unvergessenen Edith Schollwer (1904-2002), die Günter Neumanns „Insulaner“-Lied („Der Insulaner verliert die Ruhe nich / der Insulaner liebt keen Jetue nich…“)  in Ohr und Herz verankerte, nahmen die Insulaner die SED, die DDR und die Russen herzerfrischend auf die Schippe und weckten den Stolz und den Lebensmut, den das umzingelte West-Berlin im Kalten Krieg so dringend brauchte. Von 1954 bis 1957 wurden die besten Texte der Insulaner vom Berliner Blanvalet Verlag in drei hübschen Bändchen herausgebracht, für die Hans Kossatz, auch ein Berliner Urgestein die Umschläge zeichnete.
 
Die „Edition Berliner Musenkinder“ von Duo-Phon erweist Günter Neumann und seinem Werk in

© 1955 Blanvalet Verlag
Zusammenarbeit mit der Günter Neumann Stiftung mit dem soeben erschienenen, hervorragend produzierten Doppelalbum „Schlag nach bei Neumann“ Reverenz. Kein Geringerer als Volker Kühn hat 49 Titel aus Neumanns Schaffen ausgewählt, zusammengestellt und kommentiert – und natürlich nehmen die Insulaner dabei eine herausragende Position ein. Mit den Stimmen von Tatjana Sais, Werner Finck, Loni Heuser, Grethe Weiser, Hubert von Meyerinck, Rudi Godden, Theo Lingen, Louise Martini, Edith Elsholtz, Günter Pfitzmann, Jo Herbst, Erik Ode, Edith Schollwer, Wolfgang Neuss,  Wolfgang Müller, Edith Hancke, Walter Gross, Ewald Wenck, Bruno Fritz, Agnes Windeck, Joe Furtner u.a.m. umreißt das verdienstvolle Projekt zugleich ein wichtiges Kapitel deutscher Klein-, und Brettl- und Chanson-Geschichte. Ein reich illustriertes Büchlein von 48 Seiten mit Texten von Volker Kühn und Günter Neumann  ist in das solide gebundene Album eingeheftet und macht es zu einem wirklichen Dokument. Eine Empfehlung an jeden Freund des Kabaretts und jeden Berliner – und von den Musenblättern mit dem Musenkuß ausgezeichnet.
Vor 45 Jahren ist Günter Neumann gestorben.

Titel CD 1:
Das Brettl, das die Zeit bedeutet (1) - Im siebenten Himmel ist Hochbetrieb - Günter Neumann erinnert an Werner Fincks "Katakombe" - Großstadt-Song - Die Alten sind doch noch ganz gut - Günter Neumann parodiert Willy Rosen - Jüterbog! - Man singt immer tiefer - Alles für den Mann - Das Lied von der Glatze - Er ist immer so müde - Der Vamp - Wie schön, daß du bei mir bist - Aber sonst ist er so nett - Die Nervensäge - Der Schallplattenverkäufer - Die Schlaflose - Einmal werd ich dir gefallen - Die Schönheitstänzerin - Du wirst schon sehn, was du davon hast - Die Mimose - Ein Neandertaler - Enthüllungen einer Striptease-Tänzerin - Frau Meiers Morgenritt - Der schöne Franz
Zeit:  1:18:03

© 1957 Blanvalet Verlag

Titel CD 2:
Die Dame von heute - Die Braut aus "Schwarzer Jahrmarkt" (1947) - Hereinspaziert - Das Leben ist ein Rummelplatz - Alte Kameraden - An der Messerwerfer-Wand - Der Fakir – Scheuklappen - Der sprechende Affe – Finale - Insulanerlied (1) - Die Heuss-Zigarre - Wie wird man ein Star - Burschen hinaus! - Das Pulverfaß - Wanderlied einer Hausfrau - Frau Mode ist ein seltsam launisches Kind - Insulanerlied (2) - Schlag nach bei Shakespeare aus "Kiss me, Kate" - Zusammenbruch-Song  - Adolf-Tango - Sammelbüchsen-Song - Song vom Wirtschaftswunder aus „Wir Wunderkinder“ - Sehn Se, das ist Berlin - Das Brettl, das die Zeit bedeutet (2)
Zeit:  1:16:06
 
Weitere Informationen unter: www.duo-phon-records.de