Wir können einander nicht vertrauen

"Die Grönholm-Methode" von Jordi Galceran im TiC

von Frank Becker

v.l.: Mirca Szigat, Oliver Brick, Martin Böttcher Christof Häußel - Foto © Martin Mazur

Lupus est homo homini
oder
Wie mache ich einen Menschen fertig

Inszenierung: Ingeborg Wolff - Bühne: Sandra Beckmann- Kostüme: Gela Banerejee - Fotos: Martin Mazur
Besetzung: Fernando Porta: Oliver Brick  - Enrique Font: Christof Häußel - Mercedes Degas: Mirca Szigat - Carlos Bueno: Martin Böttcher

Jordi Galcerans gleichermaßen perfides wie raffiniertes Drama "Die Grönholm-Methode" hat sich in den acht Jahren, in denen es auf den Bühnen der Welt wie eine Psycho-Bombe eingeschlagen hat, zu einem der erfolgreichsten modernen Theaterstücke überhaupt entwickelt. Das könnte daran liegen, daß die Welt und die Menschen wirklich so geworden sind, wie sie in diesem dichten Kammerspiel am Beispiel des Bewerbungsverfahrens für eine Manager-Spitzenposition beschrieben werden: kalt, gefühllos, brutal, zynisch. Vielleicht aber auch "nur" in eben diesem Management-Bereich - schlimm genug wäre das ja allemal. Doch Jordi Galceran hat mit seiner hautnah dramatischen Zuspitzung einer scheinbar alltäglichen Konkurrenz-Situation wohl tatsächlich den Nerv getroffen. So ist es. Wer aber glaubt, daß das ein neues Phänomen ist, muß sich getäuscht sehen: "Lupus est homo homini" (Ein Wolf ist der Mensch dem Menschen) weiß bereits 200 v.Chr. der römische Komödiendichter Titus Maccius Plautus. Ernüchternd, nicht war?

Ingeborg Wolff weiß in ihrer Inszenierung für das Wuppertaler Theater in Cronenberg (TiC) mit vier handverlesenen Darstellern diese bittere Erkenntnis brillant umzusetzen. Ganz kurz der Plot: vier Bewerber für die besagte Spitzenposition wurden eingeladen, sich vorzustellen. So scheint es. In einem fensterlosen Raum treffen sie zusammen, werden mit psychologischen Aufgaben konfrontiert, die ihre Eignung prüfen sollen. Die erste Aufgabe bringt Ernüchterung, denn sie sollen herausfinden, welcher der vier kein echter Kandidat, sondern ein Mitarbeiter des Konzerns ist: der smarte, zynische Fernando Porta (Oliver Brick), der nervös-gehemmte Enrique Font (Christof Häußel), die taktierende Mercedes Degas (Mirca Szigat) oder der moderat-joviale Carlos (Martin Böttcher)? Oder ist auch das ein Trick und es gibt gar keinen falschen Bewerber? In Rollenspielen werden die vier gezwungen, sich ihrer innersten Gedanken und Gefühle zu entäußern, man führt sie an die Grenzen des Ertragbaren, spielt sie immer grausamer gegeneinander aus, bis...

Das Ende, die Lösung hier nur anzudeuten, wäre schlimmer als der Halstuchmörder-Verrat 1962 von Wolfgang Neuss. Nur soviel: alle vier Darsteller loten ihre Rollen so intensiv bis in den finstersten Winkel der Seelen ihrer Figuren aus, daß man vor lauter Mitfiebern glatt vergißt, daß man als Rezensent das Stück ja schon viermal auf anderen Bühnen gesehen hat und sehr wohl weiß, wie es endet. Das nenne ich eine wirkungsvolle, fesselnde Inszenierung! Großes Lob also für die perfekte Regie und die ohne Abstriche packende Ensemble-Leistung. Haben Sie in Ihrer Vorstandsetage (einige in Frage kommende Firmen haben im Programmheft inseriert) schon ein Ziel für Ihre Weihnachtsveranstaltung? Nicht? Dann bitte!

Weitere Informationen unter: www.tic-theater.de