Anpassungsfähigkeit

von Hanns Dieter Hüsch

© Jürgen Pankarz
Anpassungsfähigkeit
 
Wer mich ein bißchen kennt, der weiß, daß ich im großen und ganzen zufrieden und ungemein. anpassungsfähig bin. Ich bin eigentlich der King der Anpassungsfähigen. Wer und wo auch immer mich einer nach irgend etwas fragt, ich sage immer: »Ist in Ordnung, machen Sie sich keine Sorgen. Nee, muß nicht sein, danke schön, für mich schon gar nicht. Machen Sie sich um Gottes willen keine Umstände« und so weiter. Also mit mir kann man gut zurechtkommen, weil ich mich schnell zurecht- und auch abfinde. Ich bin ein Abfindungs-Künstler. Das hat jetzt nichts mit Geld zu tun, sondern wenn mal was nicht klappt, oder wenn nicht alles so ist, wie es sein sollte. Ich beschwere mich nicht, ich reklamiere nicht, ich lasse es so, wie es ist. Ich bin pflegeleicht, also ich bin kein Beschwerer. Ich möchte das nicht oder ehrlich gesagt, ich kann das nicht. »Ich bin zufrieden«, sage ich immer, wenn ich gefragt werde: »Hallo, wie geht’s Ihnen?« »Ich bin zufrieden«, sage ich dann. Ich sage nie: »Sehr gut, ausgezeichnet, wunderbar.« Nein, ich klage nicht und ich möchte auch in dem Moment nicht, daß es mir eventuell besser geht als dem Fragenden. Vielleicht ist ja seine Frau vor fünf Tagen gestorben. Da ist ja dann schon ein »Ich bin zufrieden« gefühllos. Wenn ich allerdings von dem Tod seiner Frau weiß, sage ich meist: »Es geht so.« Aber das gehört nicht in die Beschwerde-Abteilung hinein. Neulich habe ich mich beschwert, ganz sanft. Aber wenn ich mich beschwere, ist es mehr ein Freundschaftschließen am Tisch. Und ich behaupte nach wie vor: Das ist die beste Art, die Gesellschaft insgesamt auf die Seite der Friedfertigen zu ziehen. Sie ins Lager der Sanftmütigen zu locken, wenn man milde, nichts als milde mit ihr umgeht. Neulich ließ ich mir in einem Restaurant gebratenen Schellfisch auf Sauerkrautpüree in einer Dijon-Senf-Sauce bringen. In Buxtehude. Wo ich schon seit langem ein- und ausgehe. Ich hatte diesen Schellfisch eigentlich nur bestellt wegen dieser Dijon-Senf-Sauce, denn ich bin ein Senfabhängiger. Der Fisch war große Klasse, nur die Dijon-Senf-Sauce war nichts! Bot nicht mal mehr den Schimmer einer Erinnerung an eine Diion-Senf-Sauce, sondern hätte auch als Bernaise oder eine Hollandaise durchgehen können. Beides Saucen, die ich verschmähe, denen ich aus dem Wege gehe. Und dann hatte ich die Gelegenheit, den Chefkoch ansprechen zu können, und ich habe ihn mir beiseite genommen, weil ich dachte, jetzt mußt du ihm doch mal sagen, daß seine Küche überirdisch ist, aber seine Dijon-Senf-Sauce einer Katastrophe gleicht. »Wo haben Sie eigentlich gelernt? In St. Moritz oder in Katzen- buckelbach?« Und genau in diesem Augenblick, als ich ganz tief Luft holte, um dem Chefkoch gehörig meine Meinung über seine Dijon-Senf-Sauce sagen zu können, kam der Chef des Hotels dazu und sagte, er sei der Bruder des Chefkochs, und ich sagte dann schon wie- der ganz angepaßt: »Ja, das sieht man.« »Und wie war die Küche?« Und ich sagte: »Ausgezeichnet!« Was sollte ich machen, die beiden waren zu zweit!



© Chris Rasche-Hüsch
Veröffentlichung aus "Es kommt immer was dazwischen" in den Musenblättern mit freundlicher Genehmigung