Mein Weihnachten

von Julia Wolff

Julia Wolff
Foto: Uwe Stratmann
Mein Weihnachten
 
Als kleines Kind habe ich die Weihnachtszeit geliebt. Meine Eltern waren zwar nicht sehr besinnlich, meine Mutter hat auch nicht gebacken, aber wir hatten immer einen schönen großen Baum, und der wurde geschmackvoll geschmückt. Es wurde immer Bach gehört; die Musik, die Engel, die Atmosphäre haben mich verzaubert und beseelt. Besonders am Heiligen Abend. Ich habe an das Christkind geglaubt, und meinen Eltern gelang es, meinen Glauben so wahr werden zu lassen, daß ich glaubte, noch die Flügelschläge des Christkinds spüren zu können.
   Als ich neun war, ließen sich meine Eltern scheiden, und alles wurde anders: An Weihnachten dachten sie, uns noch Harmonie vorgaukeln zu müssen und haben sich gezwungen, mit uns gemeinsam die drei Feiertage zu verbringen, obwohl sie ansonsten das ganze Jahr über kein Wort mehr miteinander gesprochen haben. Drei Tage, eingeschlossen in einem Häuschen in den Alpen, die Hölle zu viert, abgeschnitten von allem. Äußerlich war alles perfekt, kulinarische Delikatessen eingeschlossen: Austern, Hummer, Muscheln etc., der geschmückte Baum, Musik. …Aber man kann Eintracht nicht erzwingen und über emotionale Abgründe hinweg harmonisieren, im Gegenteil, die unterdrückten Gefühle schwappen irgendwann nur umso höher.   
   Aus Respekt und Liebe zu meinen Eltern, die dieses Programmheft vielleicht irgendwann in den Händen halten werden, möchte ich nicht zu sehr ins Detail gehen - sie haben geglaubt, es für ihre Kinder zu tun, und haben aus diesem Grund ihre wahren Gefühle verraten. Doch diese Vorstellung von dem, was richtig sei, verhindert nur das Glück und fügt der Seele noch mehr Verletzungen zu. Irgendwann war es jedenfalls vorbei mit den gemeinsamen Tagen an Weihnachten, und seitdem haben mein Bruder und ich dieses Fest fast immer boykottiert.  
   Aber nun wird alles anders: dieses Jahr 2011 will ich Weihnachten feiern - wegen meines Jungen! Letztes Jahr ist mein Partner noch mal davongekommen - er findet Weihnachten überflüssig, kitschig und kommerzgeleitet -, aber mit 2 1-4 Lahren kriegt unser Sohn inzwischen alles mit, und ich will ihm dieses Fest nicht vorenthalten. Dieses Jahr werde ich mich durchsetzen, und wenn wir - mein Kleiner und ich - alleine feiern! Mein Kind soll staunen und genießen, und auch sozial nicht ausgegrenzt werden, die meisten anderen Kinder feiern ja auch! Außerdem bin ich doch kitschiger veranlagt, als ich dachte, und ich will das auch mal ausleben! Weihnachten ist ein Familienfest, und ich freu’ mich drauf!