Jekyll & Hyde in Hof
The killer in me
is the killer of our love Musikalische Leitung: Lorenz C. Aichner - Inszenierung: Karsten Barthold - Bühne: Thomas Mogendorf - Kostüme: Barbara Schwarzenberger - Maske: Günther Schoberth - Chor: Michel Roberge - Choreographie: Barbara Buser Besetzung: Dr. Henry Jekyll / Edward Hyde: Kai Hüsgen - Lisa Carew: Inga Lisa Lehr - Lucy Harris: Anne-Mette Riis - Sir Danvers Carew: Karsten Jesgarz - John Utterson: Thilo Andersson - Lady Beaconsfield: Annett Tsoungui - Sir Archibald Proops: Hyu-Seob Yun - Lord Savage: Joscha Blatzheim - General Lord Glossop: Thomas Rettensteiner/Wladimir Polatynski - Bischof von Basingstoke: Karsten Schröter - Nellie: Marianne Lang - Spider: Hans-Peter Pollmer - Simon Stride / Poole: Peer Schüssler - Pfarrer: Thorsten Stammberger - Bisset: Christian Seidel Opernchor Theater Hof - Damen-Ballett Theater Hof - Hofer Symphoniker
Lassen sie mich bitte einmal die erwähnen, die sonst immer vergessen werden, die Werkstätten an den Theatern. Die Schneidereien, die Schlossereien, Tischlereien, Malersäle und die Maskenabteilung. Was diese Abteilungen im Laufe einer Saison leisten, quasi im 2-Wochenrhythmus neue Welten zu erschaffen, meist extremen Sparzwängen unterworfen, durch Krankheitsfälle oft noch in den Kräften eingeschränkt, damit der Premierentermin eingehalten werden kann, das ist eine mehr als beachtliche, kaum hoch genug ein zu schätzende Leistung. Dies gilt nicht nur für das Theater Hof, dieses Lob sollte man jeder Kritik voranstellen.
Nun, mit Hilfe der Bühnenarbeiter, der Lichtabteilung, den Tonmenschen, werden dann aus unbelebten Fantasiefiguren durch die Darsteller lebendige Wesen, die uns an ihrem Schicksal teilnehmen lassen. Dafür sollte jeder Zuschauer, den oft nur im Kleingedruckten Erwähnten, Respekt zollen.
1886 veröffentlichte Robert Louis Stevenson seine Novelle „Strange Case of Dr. Jekyll and Mr Hyde“ und gab damit vielen späteren zwiegespaltenen Bösewichtern eine literarische Basis für ihr Tun. Dr. Jekyll versucht mittels einer Droge das Böse im Menschen abzusondern. Da seine Forschungsanstalt ihm keine Möglichkeiten für einen Feldversuch einräumt, unternimmt er einen Selbstversuch. Das scheinbare Gelingen fördert nun aber die böse Seite von Dr. Jekyll an die Oberfläche: Mr. Hyde. Und eben dieser Mr. Hyde übernimmt langsam die Kontrolle über den guten und deshalb schwachen Dr. Jekyll. Mr. Hyde kann alles das, was die „gute Erziehung“ im Menschen unterdrückt. Sexuelle Lasterhaftigkeit und ausgelebte Aggression, die Konzentration auf das Ich, der rücksichtslose Egoismus ist das eigentliche Wesen, oder wie man heute halb bewundernd sagt ein
Der junge Regisseur Karsten Barthold nahm sich diesen Stoff vor und schuf zusammen mit Thomas Mogendorf, Bühne, und Barbara Schwarzenberger, Kostüm, ein zeitloses London, das in sich auch schon zwei Seiten, zwei Persönlichkeiten hat. Schwarzenbergers Chorkostüme sind gespalten, die eine Hälfte ist das ärmliche, wilde London, die andere das Prachtvolle, klar getrennt durch eine blutigrote Linie. Die bewegliche Bühne, mit gut verschiebbaren Elementen wird durch geschickte Beleuchtung ebenso in zwei Aggregatzustände des Lebens geteilt, die einerseits Weite und Freiheit vermitteln , andererseits aber auch zu klaustrophobischer Enge führt.
Mit Kai Hüsgen hat Barthold einen, wenngleich auch noch sehr jungen, Jekyll/Hyde, der es meisterlich schafft, die beiden Persönlichkeiten in beängstigender Weise darzustellen. Nur mit dem Verwuscheln seiner Haare, Maske von Günther Schoberth und seinem Team, wird aus dem gepflegten Dr. Jekyll das wilde Tier Hyde. Sein Gesichtsausdruck verändert sich genauso erschreckend wie seine Stimmführung, von einem eher lyrischen Tenor hinein in eine gepreßte Rockröhre, ein Stimmkiller eigentlich. Im Mittelpunkt seines Lebens, nach Einnahme der Drogen stehen auf der Seite der „Guten“ seine Verlobte Lisa Carew, Inga Lisa Lehr, sanft, treu und ihrem Jekyll treu ergeben, auf der anderen Seite steht Lucy, Anne-Mette Riis, eine Hure aus der untersten Schicht Londons, die zwar Jekyll vertraut, aber von Hyde und damit der Gefahr, die sie schließlich töten wird, fasziniert ist. Wildhorn hat auch diesen Damen zwei völlig verschiedene Liebeslieder zugedacht. Inga Lisa Lehr interpretiert ihre Rolle mit sanfter, sauber geführter Stimme, exakt intoniert. Anne-Mette Riis erfüllte am Premierenabend die in sie gesetzten Erwartungen leider nicht, zu unsauber die Intonation, zu ungenau die Tanznummer mit den Damen des Balletts, Choreographie von Barbara Buser.
Von den weiteren kleinen Rollen seien nur einige erwähnt, Hans Peter Pollmer, sonst immer auf Sonnyboydarstellung abonniert, spielt den erschreckend bösen Zuhälter Spider, Annett Tsoungui die hinterhältige Lady Beaconsfield, Karsten Schröter verleiht dem Bischof von Basingstoke sonore Baßtöne und äußerst gemeine Züge. Peer Schüssler spielt überzeugend Jekylls Butler Pool, der den Wahnsinn seines Dienstherrn miterlebt. Marianne Lang machte aus der kleinen Rolle der Puffmutter Nellie einen „Einakter“ und sorgte mit gekonntem Zungenspiel beim Namen Nellie, für erfrischende Heiterkeit bei den „Kennern“ im Publikum. Michel Roberge brachte seinen Chor wieder einmal zu Höchstleistungen, genau wie Barbara Buser die Damentruppe des Balletts. Karsten Barthold gelang der Spagat zwischen Show und glaubwürdiger Darstellung der zerrissenen Charaktere, Unterstützung fand er dabei im Orchester und seinem Leiter Lorenz C. Aichner, der die unterschiedlichen musikalischen Nummern auf das genaueste einstudierte. Für die atemberaubenden Kampfszenen war zum wiederholten Mal der Schauspieler Jens Hollwedel verantwortlich.
Die vom Chor besungene Fassade der Gesellschaft bröckelt, darunter liegt das Beängstigende, Wilde, Freie. Und diese Abgründe, an die Oberfläche gezerrt, faszinieren uns alle. Und allein das rechtfertigt schon einen Besuch des Hofer Jekylls!
Die schönen Bilder stammen wie immer vom SFF-Fotodesign, Hof Weitere Informationen: www.theater-hof.com
Redaktion: Frank Becker |