Offene Ohren
Dem Nachbarn sollt' ich die Krise erklären, ich sei
doch vom Fach. Spielsucht, sagt' ich, das sei nicht mein Fach. Aber nu mal im Ernst, sagt' der Nachbar, ich wolle ihn wohl vergackeiern. Nein, nein, sagt' ich, ob er schon mal im Casino gewesen sei in der letzten Zeit. Da fände er nur noch die Alten, die Jungen säßen jetzt bei Blessing vor dem Bildschirm, spielten über Nacht mal eben ne Milliarde ein, im Dreieck Tokio, Singapur, Shanghai. Wohin nun mit dem ganzen Zaster, Chef? Und schauten zu ihm auf. Staatsanleihen, befahl der und legte den Finger auf das Inselreich tief unten in Europas Südosten. Die brächten jetzt am meisten. Aber vor denen würde doch schon gewarnt, wandten sie ein. Kaufen sagt' ich, und ich red' nicht gern zweimal. Und schlug mit der Peitsche. Da spielten sie jede Nacht ne weitere Milliarde ein und legten sie tief unten im Südosten an. Es dauerte nicht lange, da trat Blessing mal wieder hinter sie und hob die Nase in den Wind. Was roch da so faul vom Südosten herauf? Langsam abstoßen, befahl er. Bei den Kursen, Chef? Und schauten zu ihm auf. Abstoßen sagt' ich und ich red' nicht gern zweimal, aber für euch wiederhol' ich's. Habt keine Angst. Es passiert uns schon nichts. Ihr wißt nicht, wie offene Ohren man für uns hat im Colosseum von Berlin. - So legt' ich's dem Nachbarn zurecht, verstand's selber nicht ganz. Der Nachbar war nicht zufrieden. So einfach könne es nicht sein. Ich hätte ihn ja gewarnt, sagte ich, Spielsucht sei nicht mein Fach. Wolf Christian von Wedel Parlow
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