Heute schon geschwebt?

Mário Laginha Trio - "Mongrel"

von Frank Becker
Traum auf Traum

Frédéric Chopins Klavierwerk gehört zum Schönsten, was je für dieses Instrument geschrieben wurde. Als man vor zwei Jahren in aller Musikwelt seinen 200. Geburtstag beging, wurden von Labels rund um die Erde die edelsten Einspielungen der besten klassischen Interpreten vorgelegt. Im nämlichen Jahr ging auch der portugiesische Jazz-Pianist Mario Laginha mit zwei Begleitern - Bernardo Moreira (Kontrabaß) und Alexandre Frazao (Schlagzeug) ins Studio, um sich einem ausgesuchten Ausschnitt des Chopin´schen Werks auf seine Art zu widmen. "Mongrel - Chopin" nannte er sein Projekt, als dessen brillantes Ergebnis nun das gleichnamige Album vorliegt.

Mario Laginha hat sieben kostbare Petitessen Chopins  für sein Jazz-Trio arrangiert, und ich darf offen zugeben, daß ich von diesen Aufnahmen sogleich gefangen war, mehr noch, sie haben mich in einen wunderbaren Schwebezustand versetzt, mir mit ihren 47:28 Minuten gleich beim ersten Mal einen wunderschönen entspannten Nachmittag geschenkt. Einen ganzen Nachmittag? Ja, denn ich habe die CD gleich dreimal hintereinander gehört, auf dem Sofa ausgesteckt, die Hände hinter dem Kopf verschränkt und das schwindende Licht des Tages in fedrigen Schatten auf der Zimmerwand ablesend. Zuhören, Träumen, Schweben. Sonst nichts. 

Zärtlich eröffnet die Nocturne No. 1 den zauberhaften Reigen, nimmt sogleich mit dem federleichten Spiel des Klaviers, dem verträumten Singen des Kontabasses, dem unaufdringlichen Rhythmus des dezenten Schlagzeugs die Schwere des Tages fort. Das Mário Laginha Trio begibt sich nicht nur auf die kongeniale Suche nach neuen Ausdrücken für die romantische Sprache Chopins, es wandelt in der großen Tradition von Musikern wie George Gruntz, Ekkehard Wölk und Jacques Loussier, die die Möglichkeiten erkannt haben, autark auf den Spuren seiner Musik.

Die Arrangements Laginhas sind gefühlvoll, lassen Raum für Interpretation und Individualität - verneigen sich jedoch zugleich vor dem Genie Chopins, zaubern aus "der schönsten aller Welten" neue Traumbilder. Temperamentvoll die Phantasie op. 49, versonnen die Valse No. 2, von dramatischer Tiefe die Etude No. 6, beinahe rasant dagegen das Scherzo No. 2, sanft wieder das Prélude No. 20, bevor die Ballade No. 1 nach 47 Minuten den Durchlauf swingend abschließt. Das Trio spielt mit seinen Möglichkeiten - und derer sind viele. Da folgt Traum auf Traum - so schön habe ich Chopin lange nicht gehört, auch nicht von Jacques Loussier, der die Nocturnes 2004 komplett eingespielt hat. "Mongrel" spielt sich ins Herz. Danke, Mário Laginha - dafür unsere Auszeichnung: den Musenkuß.

Beispielbild

Mário Laginha Trio
Mongrel
Mario Laginha - Klavier
Bernardo Moreira - Kontrabaß
Alexandre Frazao - Schlagzeug
 
(P)  2010 ONC-Producoes Culturais
© 2012 Edel

Titel:
1. Nocturno No.1 op.15 (4:39)
2. Fantasia op.49 (6:14)
3. Valsa No. 2 op.34 (6:08)
4. Nocturno No. 1 op.48 (5:20)
5. Estudo No. 6 op.10 (7:42)
6. Scherzo No. 2 op.31 (7:00)
7. Preludio No. 20 op.28 (5:55)
8. Balada No. 1 op.23 (4:30)
 
Gesamtzeit: 47:28

Weitere Informationen: