Hochwasser

von Hanns Dieter Hüsch


© Jürgen Pankarz

Hochwasser


Durch den kleinen Garten
In dem meine Omma
Immer nach den Tomaten und Stachelbeeren
Guckte
Kam immer de Rhein
Wenn er mal wieder größenwahnsinnig wurde
Hat mein Vater erzählt
Der Rhein kam dann von ganz weit hinten
Über die Felder
Fiel dann über die Tomaten und Stachelbeeren her
Und kam dann ganz langsam int Haus
Stieg dann bis unters Dach
Blieb ein bis zwei Wochen
Und alle mussten sehen wie sie unterkommen konnten
In der Zeit wurde viel „Wat willze machen“ gesagt

         

Und dann ging der Rhein wieder
Der so viel besungene hochverehrte und hochgelobte
Vater Rhein
Der sich durch nichts aufhalten ließ
Alles anknabberte und aufweichte
Aufweichte und anknabberte
Sich seelenruhig mit seiner maßlosen Oberfläche
Überall einnistete
Häuser und Gärten ruinierte
Und die Menschen obendrein
Denn die mußten ja all wieder von vorn anfangen
Wat willze machen
Wer in seinem Leben mit viel Wasser zu tun hat
Der weiß da ja alles
Und wird ein gelassener Mensch
Hat mein Vater immer erzählt.


Aus: "Tach zusammen" (1993) / Der Große Hüsch, Band 2 (2011)

© Chris Rasche-Hüsch/ Verlag Kiepenheuer & Witsch
Veröffentlichung aus "Der Große Hüsch, Bd. 2" in den Musenblättern mit freundlicher Genehmigung
Die Zeichnung stellte freundlicherweise Jürgen Pankarz zur Verfügung.