Star ist der "Bösewicht"

"Oklahoma" in der Regie von Richard Lowe

von Frank Becker
Oklahoma
Musical von Richard Rogers
und Oscar Hammerstein II
 

Gassenhauer auch für deutsche Ohren
 
Mannshoch vor blauem Himmel steht 1907 der Mais auf den Feldern von Oklahoma, dem zukünftigen 46. Bundesstaat der USA (Bühne: Petra Mollérus). Hier geht es nicht um einen Phantasiestaat europäischer Operetten-Tradition mit schicken Uniformen und eleganten Bällen, hier geht es um handfeste amerikanische Geschichte, die deutlich macht, wie jung die Weltmacht von heute eigentlich ist und aus welchen Wurzeln sie wuchs. Das Musical „Oklahoma“ von Richard Rogers (Musik) und Oscar Hammerstein II (Text) aus den Jahr 1931 spiegelt in seiner Liebes- und Eifersuchtsgeschichte um das Mädchen Laurey, den Cowboy Curly und den Farmarbeiter Jud den Alltag der Farmer und Cowboys, die beim Run auf die letzten Territorien des zentralen Südens auch gleichzeitig den bereits dorthin „umgesiedelten“ und vertriebenen Ureinwohnern Nordamerikas die letzten ihnen zugestandenen Rückzugsgebiete geraubt haben.
 
Scheuklappen gegen das Indianer-Pogrom

Das allerdings spielt in dem Musical über den Staat, der sich als "Indianerstaat" spreizt, mit seinen unvergeßlichen Melodien keine Rolle. Ein Indianer kommt darin weit und breit nicht vor, und auch die Problematik wird nirgends angesprochen – denn was ihr Unrecht gegen die Ureinwohner angeht, haben die Amerikaner schon immer solide Scheuklappen getragen. Dafür aber gibt es jede Menge Farmer- und Pionier-Romantik und sogar einen bezopften Chinesen und den Händler Ali Hakim (mit komischem Talent: Manfred Ohnoutka) für die Exotik. Die Inszenierung von Richard Lowe, der auch für die temperamentvolle Choreographie zeichnet, für das Landestheater Detmold schöpft die epische Länge der Vorlage aus, wo Striche hätten sein dürfen, um die Spannung zu halten. So dehnen sich die von den Songs und den schmissigen Tanz-Einlagen zusammengehaltenen Stunden ein wenig. Gelegentlich erschlägt das Symphonische Orchester des Landestheaters unter Emiliano Greizerstein einige der schwächeren Sänger und Sängerinnen. Auch eine Form der Auslese.
 
Star ist der "Bösewicht"

Wo der Wert eines Mädels in der patriarchalischen Pionier-Gesellschaft noch mit (50) Dollar beziffert wird, kommt es zur im Original fatalen Auseinandersetzung zwischen Curly und Jud um Laurey. Lowes Inszenierung verzichtet auf den Bühnentod Juds mit dem dadurch etwas zweifelhaften Happy End. Ein kluger Entschluß. Da gibt es nach kurzem dramatischem Intermezzo schließlich ein Happy End und ein offenes Schlußbild mit dem alleingelassenen Bösewicht, der im Grunde nur ein Unglücklicher ist. James Tolksdorf als Curley glänzt nicht nur sportlich beim Sprung übers Gatter, sondern auch mit jugendlich kräftigem Bariton, Brigitte Baum als dralle Tante Ella überzeugt mit Handfestigkeit und das das Buffo-Paar Will (Stefan Sara) und Annie (Esther Mertel ) ist sympathisch durch süße Doofheit. Überragend gibt Andreas Jören den groben, unglücklich verliebten Jud, die undankbarste und dadurch beste Rolle. Seine Darstellung berührt, sein dramatischer Baß hat Tiefe.
 
Unvergeßliche Songs

Ein besonderes Lob dem Ballett, das durchweg, nicht nur in der Traumsequenz am Ende des 1. Aktes (ob wohl der große Gene Kelly an der Vorlage für seine Pendants gelernt hat?) zu überzeugen wußte – und ein ebensolches für die hervorragenden Kostüme von Petra Mollérus, die auch die Ausstattung bis hin zum Butterfaß besorgte. Die Beliebtheit des Broadway-Erfolges auch hierzulande zeigte sich im nahezu ausverkauften Remscheider Theatersaal an der Begeisterung des Publikums, das bei den großen Songs (zum besseren Verständnis in deutscher Sprache vorgetragen) mitging. „Oh, what a beautiful morning“, „The Surrey With the Fringe On Top“, „People Will Say We're in Love“ und schließlich gegen Ende der brillant von Chor, Ballett, Ensemble und Orchester umgesetzte Titelsong „Oklahoma“, der heute offizielle Hymne des US-Staates ist, sind Gassenhauer geworden, die jeder mitsummen oder -pfeifen kann.
 
Besprechung des Gastspiels im Stadttheater Remscheid am 9.2.2012

Weitere Informationen unter: www.landestheater-detmold.de