Schneegedichte in Velours

Eine Titelgeschichte

von Andreas Greve

Foto © Andreas Greve

Schneegedichte in Velours
Eine Titelgeschichte
 
von Andreas Greve
 
Lange war es nur ein Raunen, jetzt scheint es Gewißheit: Es werden mehr Bücher gekauft als gelesen! Wenn das wirklich wahr sein sollte, würde es eine Revolution der Buchkritik nach sich ziehen. Weg vom Inhalt, hin zur äußeren Erscheinung: Größe, Gewicht, Gestaltung – um nur einige Kriterien zu nennen - Optik, Haptik, Farbtik. Auch die Werbung wird ganz anders sein: „Als hätten Sie´s selber gelesen!“, „Es liegt in Ihrer Hand!“ oder „Was weiß ich…“
Das Buch, das es hier zu besprechen gilt, liegt wirklich gut in der Hand! Sein nachtblauer Einband ist von weißen Pünktchen übersät, von denen man zuerst nicht zu sagen weiß, ob sie ein Sternenmeer am Nachthimmel oder Schneeflocken darstellen sollen. Schnell zeigt sich, es geht um Letzteres, denn inmitten des weißen Treibens steht gut lesbar „Schneegedichte“.
Vermutlich der Buchtitel. Darunter kleiner und kleiner werdend Herausgeber und Verlag. Kein Wort im Schneegestöber auf der Rückseite, auch kein Klappentext – wir sind also auf Vermutungen angewiesen.


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Der eingeprägte Name des Sachwalters, prägnant gesetzt „Herausgegeben von Ron Winkler“ legt nahe, daß man allein damit schon interessierte Leser anzulocken glaubt. Mich nicht. Im Gegenteil: Der Vorname Ron würde sich ohne Frage auf einem Handbuch für Kite-Surfer gut machen, aber hier zieht er sogar den Winkler runter. Dabei hätte ein Blick ins Impressum geistig führender Wochenzeitungen - besonders DIE ZEIT - genügt, sich von celebralen Gebilden wie Hark van Mauden, Kres Gilberth oder Gesine Cismar-Soor anregen zu lassen.
Der Verlag hält sich selber leider für am wenigsten werbewirksam. Wenn auch eingeprägt, aber

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klitzeklein: Schöffling & Co. (Immerhin nicht GmbH und Co. KG!) Dabei paßt Schöffling perfekt zu Schneegestöber und Fuchskragen und zu flanierenden Poeten, die in weiten Mänteln dem Winter Verse entlocken oder abringen. Auf jeden Fall sollte man für die kommenden Auflagen unbedingt über ein ausgeschriebenes „..& Compagnon“ oder „Kompagnon“ – um nur einige Äußerlichkeiten zu benennen – nachdenken.
 
Nun zum dunkelblauen Velours und dem ihm innewohnenden Appell an den Tastsinn! Schon immer konnte Lyrik die Seele wärmen, aber hier fängt es schon bei den Händen an! Kein Wunder, daß beim winterlichen Gang über das Eis der Alster halb Hamburg den daumendicken, hochformatigen Handschmeichler bei sich trug. Die Frauen genossen die Aura des samtenen Werkes, während die meisten Männer natürlich noch nicht einmal darauf gekommen waren, den kleinen, warmen Schöffling aus seiner verschweißten Hülle zu befreien. Zwischen den kosenden, stobende Flocken sollen sich 90 Gedichte aus 100 Jahren befinden, wie ich danach erfuhr. Es gibt Kollegen aus führenden Feuilletons, die sogar wie annotobak auf den Inhalt des Bandes eingehen, wenngleich auch sie sich einer Bemerkung über den nachtblauen Winter-Velours nicht enthalten können. Beate Tröger in der FAZ: „Man schließt diese Sammlung aufgrund ihrer schönen blausamtig beflockten, weiß gesprenkelten Gestalt ins Herz, umso mehr, als manches Gedicht die Sehnsucht nach fallenden Flocken wachrufen kann, vor allem aber, weil Winkler sorgfältig gewählt hat und man sich gut vorstellen kann, tatsächlich immer wieder auf diesen Gedichtband zurückzugreifen.« Wie wahr wie wahr!
 
 
Schneegedichte - Herausgegeben von Ron Winkler
c 2011 Schöffling Verlag, 208 Seiten. Dunkelblaues Velours mit Prägung
ISBN: 978-3-89561-215-2
€ 14,95 €[A] 15,40 SFR 21,90


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Weitere Informationen: www.schoeffling.de/


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Redaktion: Frank Becker