Ein Maler der rauhen und der üppigen Schönheit

Gustave Courbet - Hrsg. Ulf Küster, Fondation Beyeler

von Frank Becker

© Hatje Cantz - Detail aus La Trombe, 1866
Gustave Courbet
Ein Maler der rauhen und der üppigen Schönheit
 
Die Fondation Bleyerler in Riehen bei Basel wirft einen aktuellen Blick
auf das Werk des französischen Avantgardisten der Moderne.
Der Verlag Hatje Cantz legt den traumschönen Katalog dazu vor.
 
Gustave Courbet (1819-1877) zählt zu den wichtigsten französischen Wegbereitern der klassischen Moderne. Wer kennt nicht seine legendären, in schier unendlicher Vielfalt gemalten Wogen, Seestücken, Brandungen und Felsklippen? Wer hätte sich nicht von seinen provokanten hocherotischen Aktmalereien faszinieren lassen? Zu seiner Zeit ein genialer Erneuerer der Kunst ist er noch heute Anlaß für Streit und Zensur, denken wir nur an sein vielleicht berühmtestes, weil unendlich kolportiertes „L´Origine du monde“. Das wird sogar auf Internet-Seiten bis heute - oder sollte man sagen: im Zeichen einer neuen Prüderie wieder? - zensiert Die zur Zeit in der Schweizer Fondation Beyeler gezeigte erlesene Ausstellung ist die erste Courbet gewidmete in der Schweiz seit über fünfzehn Jahren.
 
„Gezeigt werden wegweisende Werke aus allen Schaffensphasen des Künstlers, darunter viele Gemälde, die nur selten oder viele Jahrzehnte gar nicht mehr öffentlich zu sehen waren. Am Beginn stehen die frühen, komplexen Selbstporträts, mit denen Courbet sich im Pariser Kunstzirkus wirksam in Szene setzte und die zu Ikonen des 19. Jahrhunderts geworden sind. Darauf folgen die Bilder seiner Heimat, Gemälde von verschwiegenen Bachläufen und Quellen, von Felsformationen und Grotten, die die Landschaftsmalerei revolutionierten. Courbets Darstellungen von Wellen und seine Ansichten des Meeres machen die Schönheit und Dynamik der Natur immer wieder von Neuem erfahrbar. Seine Winterbilder weisen ihn als einen virtuosen Maler der Farbe Weiß aus. Das Material des Künstlers, die Farbe, wird zum Gegenstand der Kunst; das Sujet verliert an Bedeutung, das Wie wird so wichtig wie das Was – eine der Grundvoraussetzungen für die Entwicklung der Abstraktion. Im Zentrum der Ausstellung stehen Courbets geheimnisvolle Frauenakte am Wasser sowie das berühmte Bild „L’Origine du monde“: Dieser gemalte Tabubruch hat (s.o.) bis in die Kunst der Gegenwart tiefe Spuren hinterlassen.“ (Verlagstext zum Katalog)


Gustave Courbet,  La Vague 1869 - Scottish National Gallery (Katalog S. 181)
 
Die Ausstellung in der Fondation Beyeler werden 57 Werke gezeigt, welche die Wucht seiner Ausdrucksfähigkeit eindrucksvoll belegen. In seinen Selbstbildnissen wie in seinen Blumenstilleben erweist sich Courbet als Meister in der Tradition flämischer Portrait- und Genremalerei, ein hervorragender Handwerker. Mit Bildern wie der
 
 Selbstbildnis um 1850, Musée des
 Beaux-Arts de Besancon
Wasserhose“ (La Trombe, 1866) schlägt er eine Brücke zu dem wegweisenden englischen Zeitgenossen William Turner (1775-1851). Er scheint seinen im 19. Jahrhundert mit ihm die französische Malerei revolutionierenden Kollegen und Zeitgenossen stets einen Schritt voraus zu sein, gelegentlich die Fauve vorwegzunehmen. Kompromißlos in der Darstellung der tobenden wie der ruhenden Natur, den fröstelnd kalten Wintermotiven ebenso wie in den Bildern üppiger weiblicher Nacktheit muß er den Malern und Besuchern der Pariser Salons einen gehörigen Schrecken eingejagt haben. So etwas hatte man noch nicht gesehen – wo sonst retuschiert, mit Kleiderfalten verschämt verhüllt oder durch Kühle gebremst wird, zeigt Gustave Courbet die intimsten Details, enthüllt Lust, ja Wollust, spricht Tacheles und hält den Galeriebesuchern den Spiegel vor: „So denkt ihr!“ Die Größe seiner Landschaften erschöpft sich nicht in der bloßen Darstellung, Courbet läßt das Meer, die Felsen, die Wälder sprechen. Ein elementares Erlebnis. Auch er hat sich nicht dem Einfluß des den Impressionismus intensiv beeinflussenden Japonismus nicht entzoehen können, wie das oben gezeigte Bild „La Vague“ aus dem Jahr 1869 belegt. Beinahe wirkt es in der Darstellung der Gischt wie eine Kopie von Katsushika Hokusais großer Woge aus den 64 Ansichten des Berges Fujijama.
 
Die Ausstellung wurde von Ulf Küster, Kurator der Fondation Beyeler, realisiert und ist Teil der Saison Courbet, einer Kooperation mit den Musées d’art et d’histoire in Genf, die im Musée Rath gleichzeitig eine Schau mit dem Fokus auf Courbets Schweizer Jahren zeigen.
Die durch die schwelgerische Reichhaltigkeit ihrer Exponate beeindruckende Ausstellung ist vom noch bis zum 18.Januar 2015 in der Fondation Beyeler, Riehen/Basel zu sehen.


 
 G. Courbet, Blumen auf einer Bank 1862 - Collection des musées d’Art et d’Histoire de la Ville de Genèvefleurs (Kat. S. 130/31)
 
 
Der Verlag Hatje Cantz vermittelt in seinem großformatigen, oft die Seitengröße ausschöpfenden Katalog zur Ausstellung ein begreifbares Bild der gezeigten Werke.
 
Gustave Courbet - Hrsg. Ulf Küster, Fondation Beyeler
Texte von Stéphane Guégan, Michel Hilaire, Ulf Küster, Laurence Madeline, Bruno Mottin, James Rubin, Gestaltung von Marie Lusa
© 2014 Hatje Cantz Verlag, 200 Seiten, 25,3 x 31,2 cm, gebunden mit Fadenheftung, farbig geprägter Umschlag, 131 farbige Abbildungen  -  ISBN 978-3-7757-3862-0
49,80 €


Gustave Courbet, L´ origine du monde 1866 - Musée d´Orsay, Paris (Katalog S. 133)
 
Weitere Informationen:  www.hatjecantz.de  -  www.fonadtionbeyeler.ch