Weitergesponnen

Joachim Klinger: Ein feinsinniger Karikaturist und Lyriker

von Frank Becker

Joachim Klinger - Selbstportrait
Weitergesponnen

Joachim Klinger:
Ein feinsinniger Karikaturist
und Lyriker vom Rang seiner Vorbilder.

Die Werke von Joachim Ringelnatz, Christian Morgenstern
und Wilhelm Busch
sind seine Wegbegleiter.

Das Einzige, was ich gut und schnell kann, ist zeichnen. Alles andere kann ich nur gut oder schnell.“ Joachim Klinger, Zeichner, Karikaturist und Lyriker schmunzelt, meint es aber überaus ernst. „Eine Zeichnung kann man schnell mal zwischendurch machen, ohne die Konzentration, die man beim Schreiben eines Gedichtes braucht.“
Das sagt ein Mann, dessen Karikaturen-Strich so brillant ist wie seine skurrilen Gedichte. Die entstanden viele Jahre lang im hellen Gartenzimmer oder im Bücherzimmer des Hauses in der Hildener Klusenstraße, dessen Wände damals voll von Klingers Zeichnungen aus der Schule Hogarths, Daumiers und A. Paul Webers hingen.

Vor allem seiner Gedichte im Stile Christian Morgensterns und Joachim Ringelnatz´ wegen habe ich vor etwas mehr als zehn Jahren für ein Zeitungsinterview das Gespräch mit Joachim Klinger gesucht, der 1960 nach Jura-Studium und Staatsexemina mit dem wahrlich aufregenden Thema „Das Eherecht des Aufklärungszeitalters“ promoviert hat – und einen Menschen von gleichermaßen Würde und Schalk sowie ebenso tiefgründigem Humor getroffen.

Als weitgereister Student und Doktorand hat er seine Lehr- und Wanderjahre in Münster, Tübingen, Rom und Wien verbracht. Nach obligatorischer
Referendar-Zeit bei Gericht und drei Jahren als Jurist beim Schulkollegium hat Joachim Klinger für den verbleibenden Teil seiner Juristenlaufbahn (immerhin 30 Jahre)
im Kulturbereich des Kultusministeriums NRW  gearbeitet und auch die erfolgreiche Filmförderung NRW betreut. Und stets haben ihn die klugen und kauzigen Verse der großen deutschen lyrischen Humoristen Christian Morgenstern, Joachim Ringelnatz und Wilhelm Busch begleitet.
Die Vita zeigt: Joachim Klinger (*1932) ist ein künstlerischer Autodidakt, ein mit außergewöhnlichem Humor und großer Begabung beschenkter Laie. Als mehr mag er sich selbst nicht sehen – ist es aber. Joachim Klinger hat sich neben der Juristerei einen guten Namen zunächst als Illustrator für den Düsseldorfer Grupello-Verlag, dann als Autor gemacht. Sein erstes Karikaturen-Bändchen „Prozeß und Zeichnung“ (1973) ist längst vergriffen und sehr gesucht. Er kennt die Helden aus den „Galgenliedern“, dem „Palmström“, dem „Gingganz“ & Co., aus dem Kuttel Daddeldu und den „Turngedichten“ alle schon aus frühen Jahren: Palman, Korf, das Nasobem, das Mondschaf, Palmström und den Schluchtenhund einerseits - Graf Wittgenstein, das Seepferdchen und all die „feilen Hürchen“ andererseits. Klinger denkt die scheinbar mit deren Tod erloschenen Gedanken Ringelnatz' und Morgensterns weiter, spinnt sie aus und fügt hinreißend Neues hinzu.

Die ursprünglich aus einem Traum entstandene Idee einer möglichen Begegnung der beiden nahm eigene Gestalt an. Die Idee manifestierte sich in einem fruchtbaren Miteinander all der Helden, dessen Ergebnisse förmlich aus Klingers Feder „purzelten“ und nun so bizarr, grotesk und weise wie ihre Vorbilder bereits mehrere höchst erfreuliche und schön gemachte Bände im Grupello-Verlag mit Lyrik und Zeichnungen füllen. Dort kann Joachim Klinger u.a. mit seinem „Zipferlak“ eine Position auf Augenhöhe mit „Kuttel Daddeldu“ und dem „Raben Ralf“, aber auch mit Peter Paul Althaus' „Dr. Enzian“ und Otto-Heinrich Kühners „Pummerer“ behaupten. Und die von ihm mit Respekt und Augenzwinkern „fortgesponnenen“ Träumereien und Phantastereien Morgensterns und Alltags- und Reise-Abenteuer Ringelnatzens erweisen sich jenen und ihm als Auszeichnung.
Mit der Gründung der Musenblätter vor zehn Jahren ist uns in Joachim Klinger ein wertvoller Mitarbeiter der ersten Stunde erwachsen – und er ist uns bis heute treu geblieben. Wir haben ja in den Musenblättern schon einige Cartoon-Reihen wie „Julle und Vatz“, „Zur Hölle mit dem Teufel“ und „Männer über Liebe“ sowie Karikaturen-Zyklen wie „Kunstliebhaber“ und „Bildbetrachtungen“ zeigen können. Kundige Abhandlungen von Joachim Klinger
vertiefen das Wissen über die Geschichte des Cartoons und die bekanntesten Zeichner des 20. Jahrhunderts. Die Serien „Sprachlos komisch“, „Der Zeichner als Erzähler“ und Klingers Betrachtungen über e.o. plauen und Walter Trier gehören dazu. Aber auch Rezensionen und Reiseberichte über
das Weltkulturerbe Matera, Europas künftige Kulturhauptstadt in Süditalien aus Joachim Klingers Feder schmücken unser Magazin.
Mittlerweile lebt Joachim Klinger in Berlin.

Wenn ich erst mal dichtige


Ich rechne alles durch, berichtige
das Resultat und bin bei Null.
Aufs Dokument, das nichtige,
setz' ich den Namen „Felix Krull.“ 

Wenn ich mich auch beschwichtige,
ich bin ganz einfach abgebrannt.
Doch jedenfalls bezichtige
ich Pfandverleih und Bahnversand.

Mein Herz aus Gold, das richtige,
verberge ich im Muschelkalk.
Mir ist das einzig Wichtige:
Ich bleibe bis zum Schluß ein Schalk.

 
Auswahl-Bibliographie:
Joachim Klinger „Prozeß und Zeichnung“ (Henn 1973)
Joachim Klinger – „Freispruch für die Karikatur“ (Grupello 1999)
Joachim Klinger – „Morgensterns Kater, Ringelnatzens Pinguin“ (Grupello 2004)
Joachim Klinger – „Wadenkrampf bei Waterloo“ (Grupello 2005)
Joachim Klinger – „Palmströms Taschentuch und Korfs Galoschen“ (Grupello 2007)
Joachim Klinger – „Bildbetrachtungen“ (Klinger 2008)
Joachim Klinger – „Pegasus und Flügelschwein“ (Grupello 2009)
Joachim Klinger – „Kunstliebhaber“ (Fabry 2010)
Joachim Klinger – „Kleinod oder Kulturklamotte im Museum Bergamotte“ (Grupello 2012)
Joachim Klinger – „Wie geht´s?“ (Klinger 2016)
Joachim Klinger – „Mit Gefühlen ist das so eine Sache...“ (Ketteler 2016)
Joachim Klinger
„Große Zeichner unserer Zeit“ (Klinger 2016)

Illustrationen (u.a.): zu Ulrich Harbecke Mantel, Schwert und Feder, ders. Literadatsch,
zu Martin Bergande
Der irrende Ritter der Poesie oder Grabbe in Düsseldorf

Informationen hier: www.musenblaetter.de  und hier:  www.grupello.de