Berliner Sommerausstellungen

Max Liebermann, Karl Schmidt-Rottluff und Neue Secession

von Jürgen Koller
Ausstellungen
im Berliner Süd-Westen
(und anderswo)
 
Ein sommerlicher Streifzug
von Jürgen Koller

 
Was die Bundeshauptstadt Berlin allein an Kunstmuseen und Galerien zu bieten hat, ist schon phänomenal. Der kunstinteressierte Tourist ist gut beraten, nicht nur die großen, repräsentativen Kunsttempel der Berliner City, wie Altes Museum, Alte Nationalgalerie, Neues Museum oder die Neue Nationalgalerie im Kulturforum am Potsdamer Platz, im Fokus zu haben.
Gerade kleinere, vorzüglich ausgestattete Galerien, oftmals etwas abseits der lärmenden, quirligen Touristenströme, bieten auserlesene Kunst. So etwa die Dependance Berlin der Nolde Stiftung Seebüll in der Jägerstraße 55, in der Nähe des Gendarmenmarktes. In der Dependance wird noch bis zum 19. Juni 2011 „Nolde / Schumacher. Verwandte Seelen“ präsentiert. Diese vortrefflich konzipierte Schau wurde vom Hagener Schumacher-Museum übernommen. In der vornehmen Adresse Pariser Platz 7, dem wiedererrichteten ehemaligen Wohn- und Atelierhaus von Max Liebermann, zeigt die Stiftung Brandenburger Tor die spannende Schau

Berlin, Pariser Platz 7 - Foto © Margot Koller
„Liebermanns Gegner – Neue Secession und Expressionismus in Berlin“. Die Ausstellung vereinigt Künstler, die 1910 unter Liebermanns Jury-Vorsitz zur Ausstellung der Berliner Secession nicht zugelassen wurden. Wenige Tage danach gründeten jene ausjurierten Künstler unter Führung von Moritz Melzer die Künstlervereinigung Neue Secession Berlin, die bis zum Beginn des 1. Weltkrieges existierte. Neben Künstlern der Dresdner Brücke und des Blauen Reiters, München, sind Wilhelm Lehmbruck, Christian Rohlfs, Bohumil Kubista, Wilhelm Morgner, Georg Tappert, César Klein u.a. mit 80 Gemälden, Skulpturen und Arbeiten auf Papier vertreten. Die Präsentation umfaßt Aktdarstellungen, Stillleben, Landschaften sowie Impressionen großstädtischen Lebens oder auch Zirkus-Szenen. Noch bis zum 3. Juli 2011 ist diese Ausstellung zu sehen.

 
Karl Schmidt-Rottluff im Brücke-Museum Dahlem

Die beiden Häuser „Brücke-Museum Berlin, Das Museum der Expressionisten“ in Dahlem und die „Liebermann-Villa am Wannsee“ zeigen gleichzeitig zwei miteinander korrespondierende
Ausstellungen, die thematisch Ostsee-Motiven bzw. dem Leben am Meer gewidmet sind. Das Brücke-Museum mit der Karl und Emy Schmidt-Rottluff-Stiftung zeigt von Schmidt-Rottluff 35 Gemälde und über 100 Werke auf Papier, zusammengefaßt unter dem Titel „Ostseebilder“. Karl Schmidt-Rottluff hat sich, beginnend im Jahre 1906, bis ins hohe Alter hinein, an insgesamt sieben Domizilen mit der Ostsee-Landschaft künstlerisch auseinander gesetzt. Waren die frühen Arbeiten, beim gemeinsamen Aufenthalt mit Emil Nolde auf der heute dänischen Insel Alsen, noch ganz dem Stil van Goghs verpflichtet, so hatte Schmidt-Rottluff bereits 1913 bei seinem Aufenthalt in Nidden auf der Kurischen Nehrung seinen expressionistischen Duktus in Farbe und Form vollendet. Neben Aufenthalten an der Lübecker Bucht während der Kriegsjahre waren in den Zwanzigern besonders die Arbeitsbesuche in Jershöft, einem kleinen Fischerdorf in Hinterpommern wichtig. Des Künstlers expressionistische Haltung beruhigt sich – vorwiegend Fischer, arbeitende Bauern und Badende wurden zu Motiven. Während der Nazi-Zeit wird der kleine Ort Rumbke am Lebasee in Hinterpommern Fluchtpunkt. Es dominieren nun Pastell und Aquarell in leuchtender Farbigkeit bei einer ausgeprägteren realistischen Sichtweise.
Nach dem Krieg wird wieder die Lübecker Bucht sein Ostseedomizil. Der Künstler wagt einen Neuanfang mit großen Gemälden bei oftmals abstrakteren Formen und einer grell-aggressiven Farbigkeit. Diese Sommer-Schau vereinigt erstmals Schmidt-Rottluffs Ostseebilder in einem Gesamtüberblick. Ein begleitender Katalog vertieft das Geschaute. Darüber hinaus wird im Museumsshop noch ein Bildband aus dem Hirmer Verlag für 18 € angeboten, der Bild- und Textinformationen zu 293 Werken aus dem Brücke-Museum beinhaltet. Die Ausstellung läuft noch bis zum 17.Juli 2011.

Das Brücke-Museum am Bussardsteig 9 in Dahlem ist vom Bahnhof Zoo aus mit dem Bus 115 (Haltestelle Clayallee/Ecke Pücklerstr.) problemlos zu erreichen.
 
Max Liebermann in der Liebermann-Villa am Wannsee

Das Vierfach-Faltblatt der Ostseebilder bewirbt auf der Rückseite die nicht weniger interessanten
Impressionen Max Liebermanns von der holländischen Nordseeküste, die in dessen ehemaligem Sommerhaus am Wannsee gezeigt werden. Liebermann war Zeit seines Lebens von der Nordseeküste fasziniert. Seit 1872 reiste er jeden Sommer nach Zandvoort, später nahm er in Katwijk und Scheveningen Quartier, ab 1906 wurde das dörfliche Noordwijk sein sommerliches Nordsee-Domizil. So um die Jahre 1890 begann Liebermann sich unter dem Einfluß des französischen Impressionismus die holländische Strandlandschaft und das Meer unter neuem Blickwinkel zu erschließen. Der flüchtige Eindruck des Wolkenspiels, die Weite des Horizontes , die wogenden Wellen oder das luftig-heitere Strandleben, aber auch Herrenreiter wurden in Öl, als Aquarell, in Pastell oder mit dem Stift festgehalten – eben die ganze Vielfalt dieses Sujets. Licht und frische Farben dominieren Liebermanns Bilder „Am Meer“.
 
Aber nicht nur diese Ausstellung mit ihrem sommerlichen Flair beeindruckt den Besucher, sondern in gleichem Maße Liebermanns Villa. Im Jahre 1909 ließ sich der Künstler am Wannsee vom Architekten Paul Otto Baumgarten eine Villa mit klassizistischer Ausprägung bauen. Das 7000 qm große Grundstück gestaltete Liebermann zusammen mit dem Direktor der Hamburger Kunsthalle, Alfred Lichtwark, der ein begeisterter „Gartenreformer“ war. Auf der Rückseite des Anwesens entstand ein Stauden- und Bauerngarten, die Fläche zum Wannsee verblieb als Rasenfläche, seitlich begrenzt von drei Heckengärten. Dieses „einmalige Ensemble, dieses blühende Arkadien im Süden Berlins“ hat Max Liebermann in über 200 Gemälden festgehalten, denn bis zu seinem Tod 1935 hat Liebermann jeden Sommer in seinem, wie er es nannte „Schloß am See“ verbracht.
Zur weiteren  Geschichte dieses Hauses: 1940 zwangen die Nationalsozialisten Liebermanns Witwe Martha das Anwesen weit unter Wert zu verkaufen. Nach dem Krieg erhielten die Erben das Haus zurück und verkauften es an das Land Berlin. Es wurde anfangs als Krankenhaus genutzt, ab 1972 wurde es an einen Tauchsportclub verpachtet. Der Garten wurde in diesen Jahrzehnten fast total zerstört.

Liebermann-Anwesen am Wannsee rekonstruiert

Erst der 1995 gegründeten Max-Liebernmann-Gesellschaft gelang es, daß das kulturhistorisch

Liebermann-Villa am Wannsee - Foto © Margot Koller
bedeutende Ensemble unter Denkmalsschutz gestellt wurde, das Gebäude von Grund aus renoviert und der Garten rekonstruiert wurde. In der Villa wird auch eine kleine Ausstellung zur Geschichte des Hauses gezeigt. Es sind zum Teil erschütternde Dokumente über den Judenhaß schon lange vor der NS-Diktatur zu sehen, aber auch Belege über das Sterben von Martha Liebermann, die 1943 von den Nazis im Alter von 86 Jahren nach Theresienstadt in den Tod deportiert werden sollte. Sie nahm wenige Stunden vor dem Abholen durch die Gestapo Veronal. Zum Antisemitismus und zu den Nazis sind von Max Liebermann zwei Aussagen überliefert. Sinngemäß sagte er einmal im besten Berlinerisch: „Ick werde aus drei Jründen jehaßt – Weil ick Jude bin, weil ick Künstler bin und weil ick durch meine Kunst reich jeworden bin“. Und am Abend der Machtübernahme durch die Nazis fand er beim Fackelzug der SA durch das Brandenburger Tor die drastischen Worte: „Ick kann jar nicht so viel fressen, wie ick kotzen möchte“. Liebermann starb 1935 einsam und verbittert - von seinen Künstler-Kollegen waren nur Käthe Kollwitz und Ernst Barlach mit an seinem Grab.

Die Liebermann-Villa ist mit der S-Bahn S1 / S7 bis Bahnhof Wannsee und weiter mit dem Bus 114 zu erreichen. Die Ausstellung Max Liebermann „Am Meer“ wird noch bis zum 8. August 2011 gezeigt.
 
Redaktion: Frank Becker