Gedankensenke Eine Kolumne von Andreas Steffens senke eine ausgehöhlte form, andern dingen darin ihre gehörige gestalt zu geben’
Haben um zu sein Ein königlicher Hinweis
Er wird nicht blaß geworden sein, als André le Nôtre dies von seinem König zu hören bekam. Auf die Freundschaft Ludwigs XIV. zu ihm war Verlaß. Vorstellbar, daß dieser ihn in wohlwollendem Einverständnis angelächelt hat, als er seinen Gärtner glücklich pries *. Sogar, daß er sich an dessen Glück, sein Leben in seiner Bestimmung aufgehen zu lassen, wozu er ihm ebenso verholfen wie er ihn dazu genötigt hatte, freute. Denn dessen unvergleichliche, eine ganze Welt in Erstaunen und Bewunderung versetzende Leistung trug zum eigenen Ruhm des Sonnenkönigs erheblich bei. Manch anderem Günstling war es zum Verhängnis geworden, wenn dieser mächtigste Mann dieser Welt den Eindruck gewinnen mochte, einer sei glücklich, was eben immer auch heißt zu argwöhnen: glücklicher als man selbst. Zum Selbstgefühl des absoluten Monarchen mochte es passen, sich selbst als allein glücksberechtigt zu verstehen. Seinen Gärtner, einen der Architekten der Symbole seiner Größe, glücklich zu nennen, hieß, ihn sich selbst gleichzusetzen. Einzigartig für einen, der gewiß war, einzigartig zu sein und sein Leben daran setzte, es der Welt unbestreitbar vorzuführen. Eine der größten Voraussetzungen für das Glücklichsein ist die Fähigkeit, sich seine Existenzumstände so einzurichten, daß sie einen nicht zwingen, Bestimmtes, sondern einem erlauben, Gewähltes zu tun. Nur die Arbeit, die man leistet, um sein Leben zu erhalten, die frei gewählt ist, kann ein Lebensmittel sein, das das Existieren davor bewahrt, sein Selbst seiner Erhaltung zu opfern. Denn Glück ist immer individuell: jeder hat, wenn es ihm zuteil wird, seines. Kein Neid ist so gegenstandslos und unvernünftig wie der auf das Glück eines anderen: man könnte es selbst gar nicht haben, weil es eben seines ist. Glück ist ein Luxus, den jeder erlangen kann, wie arm er auch bleibe; denn es gehört nicht zu den Bedingungen sine qua non unseres Lebens. Es läßt sich führen auch ohne glücklich zu sein, und manch einer ist im Unglück sehr alt geworden. Aber es ist eine Voraussetzung dafür, daß unser Leben und unsere Selbstwahrnehmung im Einklang sind. Eigentlich ist das Glück nichts anderes als genau dieser Einklang. Wer Glück hat, dem hilft es, glücklich zu sein, indem es ihn mit seinem Leben zufrieden sein läßt. Es steigert die Zustimmung zu den zufälligen Folgen der größten aller Unwahrscheinlichkeiten, geboren worden zu sein. Deshalb kann man nicht glücklich sein, ohne Glück zu haben. * Érik Orsenna, "Portrait eines glücklichen Menschen". Der Gärtner von Versailles André Le Nôtre 1613-1700, C.H. Beck, München 2001 - auch als dtv-Taschenbuch zu bekommen © Andreas Steffens - Erstveröffentlichung in den Musenblättern 2007 |