Kontrabassisten müssen nicht automatischeine tiefe Stimme haben

Aus dem Tagebuch

von Erwin Grosche

Foto © Frank Becker
Kontrabassisten müssen nicht
automatischeine tiefe Stimme haben

und ein Dank an VW

24. Juni: Einmal in Saarbrücken hatte Herr Wiesner Glück gehabt. Er war am Samstag auf dem Markt und traf dort einen reichen Mann. Der Mann war sehr gepflegt und trug einen schwarzen Anzug von Boss. Er hatte einen Seidenschal um den Hals geschlungen und blickte nervös auf seine goldene Taschenuhr. „Haben sie mal zwei Euro für mich?“, flüsterte er plötzlich. Herr Wiesner schaute sich um. Wollte dieser Mann ihn um zwei Euro anbetteln? Sollte es nicht umgekehrt sein? Sollte nicht der Arme den Reichen anbetteln? Herr Wiesner war verunsichert. „Nun machen sie schon“, sagte der Mann ungeduldig. „Sie haben noch Glück. Ich nehme sonst immer vier Euro.“ Herr Wiesner kramte schnell in seinen Taschen und gab dem Mann zwei Euro. „Danke“, murmelte Herr Wiesner, aber da war der reiche Mann schon wieder unterwegs, um woanders Geschäfte zu machen.
 
25. Juni: „Wenn mein Hund wüßte, mit was ich beruflich mein Geld verdiene, würde er sich weigern mit mir zusammen vor die Tür zu gehen“, sagte der Marktkaufleiter. Er wäre gerne Leiter eines REWE-Marktes geworden, aber die Stelle war schon vergeben gewesen. So stand er in seinem Marktkauf und ärgerte sich dauernd, daß das Meerschweinchenheu schon wieder ausverkauft war.
 
27. Juni: Kontrabassisten müssen nicht automatisch eine tiefe Stimme haben.
 
29. Juni: Monolog eines Autofahrers, der gerade von einem BMW überholt worden war, der dabei nicht geblinkt hatte: „Mhm, siehst du das du Arschloch. Siehst du, daß man auch blinken kann, wenn man die Spur wechselt. Haste nicht gewußt, was­? Das ist dir völlig neu, wie? Schau mal du Sau, jetzt blinke ich rechts und fahre nach rechts, nun blinke ich links und fahre wieder nach links. Alle wissen Bescheid. Alle verstehen das Zeichen. Das Zeichen der Menschen um die Spur zu wechseln. Ein kleines Zwinkern mit dem Licht. Setz ein Zeichen du Idiot. Blink, blink, blink. Ist das denn so schwer, du Arsch? Mit dem Zeigefinger mach ich das, weil mein Kopf davon überzeugt ist. Setz ein Zeichen. Zeig an, daß du einer von uns bist. Wir sind der Verkehr. Wir sind alle Teilnehmer an dieser Geschwindigkeitsshow. Das laß uns feiern. Siehst du das? Blinke ich rechts, schere ich aus, blinke ich links, füge mich wieder ein. Wie schön Ordnung sein kann.“
 
30. Juni: Die VW-Werkstatt bot Insektenbürsten an. Ich war sehr berührt. Das war typisch VW. Wer denkt sonst schon an die kleinen Insekten, die sich im Sommer schmutzig fühlen? Vielleicht sind sie verklebt von Blütenpollen. Vielleicht stört sie der Schmutz durch den aufgewirbelten Staub der Großstädte. Vielleicht stören sich Schmetterlinge und Marienkäfer an ihrem schmutzigen Erscheinungsbild. Nun gab es endlich Bürsten, mit dem man Mücke und Libelle säubern konnte. Der Mensch als Ordnungshüter des Universums. Der Mensch als Reinigungsfachmann der Schöpfung. Das war typisch VW.
 
 
© 2012 Erwin Grosche - Erstveröffentlichung in den Musenblättern