Tête-à-tête mit dem Kaiser

Über Napoleon I. und seinem Verhältnis zum Rheinland (6)

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker
Tête-à-tête mit dem Kaiser
 
Über Napoleon I. und seinem
Verhältnis zum Rheinland (6)

 

Wie versprochen bekommen Sie heute einen kleinen Einblick in die Eindrücke, die der junge Heinrich Heine von französischen Kaiser bei dessen Besuch in Düsseldorf hatte:
„Als ich erwachte, schien die Sonne wieder wie gewöhnlich durch das Fenster, auf der Straße ging die Trommel, und als ich in unsre Wohnstube trat und meinem Vater, der im weißen Pudermantel saß, einen guten Morgen bot, hörte ich, wie der leichtfüßige Friseur ihm während des Frisirens haarklein erzählte: daß heute auf dem Rathhause dem neuen Großherzog Joachim gehuldigt werde, und daß dieser von der besten Familie sey, und die Schwester des Kaisers Napoleon zur Frau bekommen, und auch wirklich viel Anstand besitze, und sein schönes schwarzes Haar in Locken trage, und nächstens seinen Einzug halten und sicher allen Frauenzimmern gefallen müsse. Unterdessen ging das Getrommel, draußen auf der Straße, immer fort, und ich trat vor die Hausthür und besah die einmarschierenden französischen Truppen, das freudige Volk des Ruhmes, das singend und klingend die Welt durchzog, die heiter-ernsten Grenadiergesichter, die Bärenmützen, die dreyfarbigen Kokarden ... Ich freute mich, daß wir Einquartierung bekämen - meine Mutter freute sich nicht - und ich eilte nach dem Marktplatz. Da sah es jetzt ganz anders aus, es war, als ob die Welt neu angestrichen worden, ein neues Wappen hing am Rathhause, das Eisengeländer an dessen Balcon war mit gestickten Sammetdecken überhängt, französische Grenadiere standen Schildwache, die alten Herren Rathsherren hatten neue Gesichter angezogen und trugen ihre Sonntags röcke, und sahen sich an auf französisch und sprachen bon Jour ....“

und dann sieht er Napoleon:
 
„Aber, wie ward mir erst, als ich ihn selber sah, mit hochbegnadigten, eignen Augen, ihn selber, Hosiannah! den Kaiser.
Es war eben in der Allee des Hofgartens zu Düsseldorf. Und der Kaiser mit seinem Gefolge ritt mitten durch die Allee, die schauernden Bäume beugten sich vorwärts, wo er vorbeykam, die Sonnenstrahlen zitterten furchtsam neugierig durch das grüne Laub, und am blauen Himmel oben schwamm sichtbar ein goldner Stern. Der Kaiser trug seine scheinlose grüne Uniform und das kleine, welthistorische Hütchen.
"Er ritt ein weißes Rößlein, und das ging so ruhig stolz, so sicher, so ausgezeichnet - wär' ich damals Kronprinz von Preußen gewesen, ich hätte dieses Rößlein beneidet. Nachlässig, fast hängend, saß der Kaiser, die eine Hand hielt hoch den Zaum, die andere klopfte gutmüthig den Hals des Pferdchens - Es war eine sonnigmarmorne Hand, eine mächtige Hand, eine von den beiden Händen, die das vielköpfige Ungeheuer der Anarchie gebändigt und den Völkerzweykampf geordnet hatten - und sie klopfte gutmüthig den Hals des Pferdes. Auch das Gesicht hatte jene Farbe, die wir bey marmornen Griechen- und Römerköpfen finden, ... und auf diesem Gesichte stand geschrieben: Du sollst keine Götter haben außer mir. Ein Lächeln, das jedes Herz erwärmte und beruhigte, schwebte um die Lippen - und doch wußte man, diese Lippen brauchten nur zu pfeifen - et la Prusse n'existoit plus - diese Lippen brauchten nur zu pfeifen - und die ganze Klerisey hatte aus geklingelt - diese Lippen brauchten nur zu pfeifen - und das ganze heilige römische Reich tanzte.“
 
Napoleon muß für die Deutschen republikanisch gesinnten Menschen schon zu Lebzeiten ein unglaublicher Mythos gewesen sein. Außerdem polarisierte er, wie man heute sagen würde. Jetzt meine ich damit nicht sein militärisches Tun, die Kontinentalsperre etc sondern ihn als Person.
 
So klein wie er war, der Drecksack, er muß was gehabt haben, was seit Barbarossa keiner mehr hatte – und von dem hatte man ja auch nichts mehr gehört, seit er im Kyffhäuser verschwand. Er geriet zu einer schon beinahe überirdischen Gestalt, wie man z.B. als spätes Echo in einer Geschichte aus dem rheinischen Dekamerone „Tant Seefa“ von Jean Bockelssieht, die alle diese Eigenschaften hat, von denen ich geredet hab.
Und das nächste Mal erzähle ich Ihnen was der Andreas Hofer mit Napoleon am Hut hatte (bitte entschuldijense, dat konnt ich mit jetzt nicht verkneifen).

In diesem Sinne
Ihr
Konrad Beikircher

 
© 2012 Konrad Beikircher für die Musenblätter - Redaktion: Frank Becker