Lohnte es sich?

Über die Kostbarkeit eines Augenblicks

von Victor Auburtin

Foto © Frank Becker

Lohnte es sich?

Man legte einander die Frage vor: Lohnte sich dieses Leben: oder sollte es nicht besser gewesen sein, wenn man gar nicht geboren wäre, wenn man das Dunkel da unten niemals verlassen hätte?
Dazu wurde einerseits dieses angeführt: Das Leben besteht aus Halunken, aus Ärger, aus Fahrten im Automobilomnibus, aus verbrannten Kalbskoteletts, aus Hast, Drang und Unrast, aus Zahnschmerzen, Theaterpremieren und Zigarettenstummeln, Bettel, Zank und aus Ekel, Ekel, Ekel.
Andererseits wurde zu der Frage folgendes angeführt: Soeben steht ein klarer Januarsonnentag über unserer Ebene. Weiße Wolken gehen vor dem Ostwinde langsam dahin und haben rote flammende Ränder. Der Himmel ist gegen den Horizont blaß, gegen den Zenit immer tiefer blau, und siehst du senkrecht hinauf, so blickst du in die klare mächtige Tiefe des Kosmos. Und gerade vor dieser Tiefe kreist ein Taubenschwarm und ist bald golden, bald dunkel, je nachdem er den Rhythmus seines Flügelschlages der Sonne zuwendet oder nicht.
Und nun antwortet man auf jene Frage so: Böte das ganze Leben an Gutem nichts als diese Taubensekunde, aus den Nächten des Nichts schrie ich nach ihm; schrie ich nach ihm.


Victor Auburtin