Tragisch: Eine Legende in Trümmern
Ingrid Caven in Berlin
Nicht nur durch das Leben und die Zusammenarbeit mit dem Regisseur Rainer Werner Fassbinder ist Ingrid Caven ein Begriff – die deutsche Schauspielerin und Sängerin hat sich auch als Interpretin von Chansons, Songs und Liedern einen Namen gemacht. Besonders gern und oft hat sie Titel von Edith Piaf aufgenommen und live gesungen, hat viele von Peer Raben vertonte Texte aus der Feder von Enzensberger, Fassbinder und dem französischen Schriftsteller Jean-Jaques Schuhl, mit dem sie seit Jahren in Paris zusammen lebt, vorgestellt. Am 3. und 4.10. gab es im Berliner Ensemble ein Wiederhören mit der seit den 1970er Jahren vor allem in Frankreich erfolgreichen Chanteuse. Sie begann das Programm höchst anspruchsvoll mit Schönbergs „Pierrot Lunaire“ und erinnerte damit an die Uraufführung dieser Gedichtsammlung vor genau 100 Jahren in Berlin unter Leitung des Komponisten. Diese Wiedergabe jedoch kann man nur konfus nennen – es fehlte ihr vor allem an deklamatorischer Klarheit und schlicht an der vokalen Bewältigung der geforderten Gesangslinie. Die somnambule Stimmung dieser Lyrik verleitete die Interpretin zu einem lallenden, stammelnden und grölenden Tonfall. Zu verstehen waren nur Bruchstücke, was sich leider nach der Pause bei ausgewählten Titeln aus ihrem Repertoire wiederholte. Zu selten vernahm man den berühmten rauchig-lasziven Klang der Stimme in der Tiefe, den aggressiven Biß, wie man ihn von ihren Piaf-Chansons kennt – immer wieder kippte die Stimme um in Kreischen, Lallen und Piepsen. Brecht/Weills „Nana’s Song“ ging nach konzentriertem Beginn schnell über in unverständliches Gestammel; Brahms’ Wiegenlied „Guten Abend, gut Nacht“ wurde in einzelne Jammerlaute zerpflückt, Bach/Gounods „Ave Maria“ gegrölt und gekrächzt. Dabei war der Begleiter am Flügel Jay Gottlieb ein Poet und Virtuose an seinem Instrument, der Solistin überdies auch mehrfach als Souffleur zu Diensten, wenn sie den Faden der Programmfolge verloren hatte. An ihm lag es nicht, daß man das BE nach diesem Abend bitter enttäuscht verließ.
Die Übernahme dieses Textes von Bernd Hoppe erfolgt mit freundlicher Erlaubnis von
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