Abende von Berlin – Max Raabe im Admiralspalast

Ein Hauptstadtfeuilleton

von Jörg Aufenanger

Jörg Aufenanger - Foto © Frank Becker
„Küssen kann man nicht allein“
 
Ob nun Nana Mouskouri, Helge Schneider, Mozarts Zauberflöte mit einem afrikanischen Ensemble oder Shantel und sein Bukowinaclub, das Swingorchester des André Hermlin, die Siebzehn Hippies oder Max Raabe auf der Bühne stehen, der Ort, neudeutsch Location genannt, ist immer auch Star des Abends. Der Admiralspalast am Bahnhof Friedrichstraße ist nämlich eins der schönsten Theater von Berlin. Als Amüsierstätte für preußische Offiziere gegründet, zu DDR-Zeiten als „Metropol“ das Operettentheater der Stadt, an dem auch Pina Bausch und ihr Ensemble den DDR-Bürger mit „1980“ gastierend begeisterte, nach der Wende unter der Intendanz von René Kollo ins Abseits geführt, sodann vom Berliner Senat verscherbelt und als Musicaltheater gescheitert. Schließlich übernahm mit Falk Walter ein ehemaliger Schauspieler das Haus und führte es zu neuer Blüte, bis es wegen zu anspruchsvollem Repertoire insolvent wurde, nun aber von einem Düsseldorfer Unternehmer weitergeführt wird.
Wie jedes Jahr war Max Raabe auch heuer mit seinem Palastorchester im Herbst zwei Wochen lang umjubelter Star der Berliner Abende. „Küssen kann man nicht alleine“ ist das diesjährige Programm betitelt, und der Eröffnungssong handelt sogleich von dieser nicht zu widersprechenden Aussage. Ein Lied im Stil der Schlager der 20er, 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts, die den Programmschwerpunkt des Max Raabe bilden. Dabei vermeidet er Lieder, die nach 1933 in Deutschland entstanden sind, bewußt. Zumal ein Großteil der Komponisten und Texter der Erfolgslieder der Weimarer Republik nach Hitler Machtübernahme ihre Heimat verlassen hat. Erklingt aber dennoch ein Song der Enddreißiger Jahre wie „Over my shadow“ so ist es in den USA entstanden, wohin ja auch viele deutsche Musiker emigriert sind, Friedrich Hollaender oder Robert Stolz etwa.
Max Raabe ist ein Phänomen, denn er singt ja nicht nur betörend, auch als Conferencier seines eigenen Programms ist er unübertroffen. Mit knappen Worten, von denen jedes präzise sitzt, präsentiert er sein Orchester und die Songs, setzt gekonnt Zäsuren in seinem Vortrag, um jeder Pointe Schärfe und Witz zu geben. Auch jeder seiner federnden Schritte, die ihn vom Flügel, in dessen Rundung er zuvor lehnt, zum Mikrofon führen, sind nicht nur genau bemessen, sondern schon in Rhythmus gesetzt. Und wenn dann der erste Ton perfekt getimt aus seinem Mund dringt, ist der Zauber da. „Eine Liebelei so neben bei paßt nicht zu Ihnen gnädige Frau!“ Das Publikum, immerhin knapp zweitausend Menschen, schmilzt dahin. „Irgendwo auf der Welt gibt’s ein kleines bißchen Glück...Irgendwo, irgendwie, irgendwann“ und es hängt nicht mehr im Irgendwo, sondern im Admiralspalast.
Das Palastorchester, es besteht bis auf die exzellente Geigerin nur aus Männern, angeführt von dem Pianisten, empfindet den unnachahmlichen Sound der Orchester der 20 und 30er Jahre nicht nur nach, es geht in vielen Momenten noch darüber hinaus, unterlegt anmutig die Stimme Max Raabes. Doch wenn der nur mit der Begleitung des Klaviers das Lied vom Glück darbietet, so verschafft nicht nur das gedämmte Licht, sondern vor allem der intime Vortrag eine Rührung, der das Publikum besonders dankbar applaudiert. Wie auch in dem eigentlich total kitschigen Ständchen, das wie Raabe bemerkt im übrigen ausgestorben sei, seitdem es heizkostensparende Thermopanefenster gibt, der Serenade von Toselli.
Aber der gar nicht mal so blöde Witz mancher Lieder wie „Mein Gorilla hat ne Villa“ oder „Ich wollt ich wär’ ein Huhn“ begeistert eben auch, denn Max Raabe könnte selbst das Telefonbuch heruntersingen, und es wäre ein Ereignis. Doch in diesem Programm und auf der CD „Küssen kann man nicht allein“ finden sich auch heutige Lieder, die er zusammen mit Annette Humpe - ja die von Ideal und „Ich steh auf Berlin“ - , geschaffen hat. Sie finden sowohl musikalisch als auch textlich einen neuen Weg, doch vor allem will das Publikum das, was es von Raabe kennt, eben Lieder einer früheren Zeit, wie „Frauen brauchen immer einen Hausfreund“ von 1928, „Wenn die kleinen Veilchen blüh’n, bin ich wieder bei dir“ oder „Mein kleiner grüner Kaktus“. Dann tobt und trampelt man und entläßt den Raabe erst nach manchen Zugaben, geht sodann für das weitere Leben gewärmt hinaus in das abendlich kalte Berlin. Doch der Aficionado muß nicht verzagen, denn im Herbst 2013 wird Max Raabe wieder Gast sein im Palast der Admirale und eine neue CD soll es gar schon im kommenden Januar geben. Zum Überwintern.
 
 
 
© 2012 Jörg Aufenanger für die Musenblätter