Blumensträuße

von Hanns Dieter Hüsch

© Jürgen Pankarz
Blumensträuße
 
Also manchmal, wenn es so um Kleinigkeiten geht, da weiß man oft gar nicht mehr, wo man dran ist. Also ich geb ja gern zu, daß ich, was Benehmen betrifft, immer schon ein bißken sittenlos gewesen bin. Das haben Sie ja auch schon sicher oft genug bei mir festgestellt. Aber et wird ja auch alle fünf Minuten immer wieder alles auf den Kopf gestellt. Gucken Sie mal, das mit dem Blumen Überreichen. Wo es ja meistens immer noch heißt, »das wäre aber doch nun wirklich nicht nötig gewesen.« Und wo ich dann immer sage, »gut, daß ich das jetzt weiß, das nächste Mal bring ich dann nur das Papier mit.« Und schon geht es los:
»Ach sind die schön, die sind aber mal schön, sind die nicht schön, also wirklich, die sind schön, Gott, sind die schön.« »Sehen Sie«, sag ich, »schön sind se, aber es wäre doch nicht nötig gewesen.«

Ich suche ja die Blumen, die ich verschenke, immer höchstpersönlich selbst aus. Also meistens eine Farbe, Ton in Ton. Aber dann in allen Blumensorten, allerdings ohne Schleierkraut, da können Se mich mit jagen, mit Schleierkraut. Also die Komposition, das ist kein Problem. Aber wo ich immer mit durcheinanderkomm, das ist also bei den Blumen, ob mit Folie oder mit Papier, ich bin ja für Papier, Folie geht zurück, ja sie ist fast out. Aber wie bringt man die an den Mann, oder besser noch, an die Frau? Also ich glaub, es gab mal eine Zeit, da konnte man die Blumen ruhig eingewickelt lassen. Aber heute geht das nicht mehr, heute, hab ich gehört, muß der Strauß ausgewickelt sein, und darf wenn man als Paar eingeladen ist, nur vom Mann an die Gastgeberin überreicht werden. Und ich dachte, man müßte das Papier drumlassen, damit es für die Hausfrau eine richtige Überraschung ist, und sie dann sagen kann: »Also, so schöne Blumen hab ich noch nie gesehen«, oder zu ihrem Mann sagt: „Alfons, so schöne Blumen hab ich von dir noch nie bekommen.« Ich meine, das muß nicht sein. Aber schön wär´s ja, wenn man das Papier noch drumläßt, das ist doch dann viel stimmungsvoller, und sonst sieht man doch gleich schon alles, ist ja nicht so schön. Weil, man muß sich ja auch noch begrüßen. Und vor lauter Aufmerksamkeit gibt jeder jedem die falsche Hand. Und jeder sagt ein leises »Verzeihung«, weil, man überlegt ja dann immer, wer gibt wem zuerst die Hand. Oder auch, wer stellt wen in der richtigen Reihenfolge vor. Der ältere Herr die junge Dame der älteren Dame,

© Jürgen Pankarz
oder die ältere Dame den älteren Herrn dem jungen Mann, oder über Kreuz. Oder der jüngere Herr die ältere Dame dem älteren Herrn.
Es endet ja oft bei einem leicht verlegenen Entschuldigungsgelächter. Und die Arme sind schon so verflochten, daß es aussieht wie auf einer Party bei Laokoons, und man hat ja auch noch die Blumen in der Hand. Die sollen ja jetzt erst mal ausgepackt werden, und das Papier gibt man vielleicht dem älteren Herrn, der es an den jüngeren Mann mit einem Scherz weitergibt, und bitte: Keine Hand in der Tasche und keine Zigarette im Mundwinkel, das kann man später machen, wenn man das Gefühl bekommt, man kann sich ruhig danebenbenehmen. Und je lockerer und unverblümter man das tut, desto mehr kann auch der Blumenstrauß verpackt sein. Ich sage immer: »Nicht Form, sondern Spiel ist alles, und es wird überall, auch bei Blumen, nur mit Wasser gekocht.«  
 
 
 
© Chris Rasche-Hüsch
Veröffentlichung aus "Meine Geschichten" in den Musenblättern mit freundlicher Genehmigung
Die Zeichnungen stellte freundlicherweise Jürgen Pankarz zur Verfügung.