Mannschaft gut! Publikum?

Ein Kommentar

von Fritz Eckenga

Fritz Eckenga - Foto © Frank Becker
Mannschaft gut! Publikum?

Meinen ganz persönlichen Fußballjahresrückblick 2012 hatte ich am 4. Dezember im Dortmunder Stadion. Erstens konnte ich dort nochmal sehen, wie prima sich der BVB-Kader in diesem Jahr entwickelt hat. Trainer Klopp hatte im für die Tabellen-Plazierung unerheblichen Champions-League-Spiel gegen Manchester City einige Spieler aus der zweiten Reihe nominiert. Doch auch diese Mannschaft spielte „BVB-Fußball“ wie aus einem Guß und beherrschte den englischen Meister nach Belieben.
    Hätte sich das Dortmunder Publikum in Gänze so benommen, wie seine Mannschaft Fußball spielte, wäre der Abend ein ungetrübter Genuß gewesen. Als aber in der 65. Minute der italienische Stürmer Mario Balotelli in die Manchester-Elf eingewechselt wurde, stellte eine laute Mehrheit der Stadion-Insassen unter Beweis, daß das schöne Spiel des BVB sie nicht davon abhalten kann, sich so häßlich wie möglich aufzuführen. Jede Ballberührung des schwarzen Stars wurde mit ohrenschmerzenden Pfeifen quittiert, jeder Fehler mit höhnischem Applaus bedacht. Offensichtlich hatte das lokale Publikum noch eine nationale Rechnung zu begleichen. Balotelli hatte im EM-Sommer mit zwei großartigen Toren gegen die Löw-Mannschaft dafür gesorgt, dass die „Suppadeutschland“-Kundschaft ihre schwarzrotgoldenen Baumarkt-Lappen vom Autodach nehmen durfte. Jetzt erinnerte ein zu großer Teil des  Dortmunder Publikums in ekliger Penetranz noch einmal an die nationalidiotischen Fanmeilen-Demos im vergangenen Juni. Nach dem Halbfinale gab man sich besser nicht als Fan der italienischen Mannschaft zu erkennen, wollte man nicht Gefahr laufen, als „dreckiger Itacker“ oder „Spaghetti-Fresser“ Schläge abzubekommen oder auch „nur“ mit Bierbechern oder Pizzaresten beworfen zu werden.
    Als regelmäßiger Besucher des Dortmunder Stadions will ich mich wie viele andere nicht an das „Sieg“-Gebrülle von der Südtribüne gewöhnen. Ebenso wenig wie an „Arschloch-Wichser-Hurensohn“-Beschimpfungen gegen Torhüter der Gastvereine oder „Tod-und-Haß-dem-S04“-Chöre des harten Fan-Kerns mit dem bereits vollständig aufgeweichten Keks. Revanchistische Stadion-Kundgebungen wie die vom 4. Dezember sind eine weitere Aufforderung an den anderen Teil der BVB-Anhänger, laut und deutlich klarzumachen, daß er damit nichts zu tun haben will.
    In jüngster Zeit hat sich das „offizielle“ Borussia Dortmund klarer als früher  gegen unerwünschte Schläger-Trupps und neues Nazi-Gesocks auf seinen Tribünen gewandt. Ob der Verein es ernst meint, kann er in ganz naher Zukunft dadurch beweisen, daß er dieses Publikum nicht mehr ins Stadion läßt.
    Spieler aus der aktuellen Mannschaft des BVB sind jedenfalls unerschrocken genug, sich gegen die Dummheit der eigenen Kundschaft zu stellen. Mats Hummels hat eine sehr große Sympathie für seinen Gegenspieler: „Balotelli ist ein geiler Typ.“
 
 
 
© 2012 Fritz Eckenga für die Musenblätter
(Der Text erschien zuvor in geringfügig anderer Form am 8.12.12 in der NRZ)