Nur für Eingeweihte

Beatles. Das weiße Album - Ein Stück von Reinhardt Friese

von Frank Becker

Nur für Eingeweihte
 
Beatles. Das weiße Album.
Ein Stück über das Jahr 1968
und den Massenmörder
Charles Manson
 
Buch und Regie: Reinhardt Friese – Musikalische Leitung: Tankred Schleinschock – Ausstattung: Annette Mahlendorf – Fotos: Volker Beushausen
Besetzung: Beatrice Reece (Prudence) – Sophie Schmidt (Julia) – Cornelia Löhr (Martha) – Andrea Köhler (Sadie) – Roni Merza (Anchorman)
 
Beatles-Revival-Show? Fehlanzeige!

Nein, ein fröhliches Beatles-Revival zum mitswingen ist es nicht, das muß sich rumgesprochen haben, denn gerade mal ca. 100 Gäste zwischen 20 und 70 - die Mehrheit war Ü 60 - hatten sich im Remscheider Teo Otto Theater eingefunden, um Reinhardt Frieses Stück „Beatles. Das weiße Album“ in einer Aufführung des Westfälischen Landestheaters zu sehen. Der Prolog mit Zitaten von u.a. Josef Stalin, Mao Zedong, Che Guevara und John F. Kennedy sprach es deutlich aus: „Ein Stück über das Jahr 1968 und über Menschen, die die Kunst für die Wirklichkeit hielten“. Revolution! Es war ein erschütterndes Jahr, dieses 1968, in das zugleich mit dem Höhepunkt der Flower Power-Bewegung Ereignisse wie die Niederschlagung des „Prager Frühlings“, das Massaker von My Lai in Vietnam, das Attentat auf Rudi Dutschke, die Ermordung von Martin Luther King und Bobby Kennedy sowie die Frankfurter Kaufhaus-Brandstiftungen durch die RAF fielen.


v.l.: Andrea Köhler, Cornelia Löhr, Roni Merza, Sophie Schmidt, Beatrice Reece - Foto © Volker Beushausen
 
Mystifikationen

In kein weiteres Album der Beatles außer Abbey Road wurde und wird mehr hineingeheimnist als in das „White Album“, das im November 1968 erschien, den Zerfall der besten Band aller Zeiten einläutete und legendär wurde. Daß es zugleich von Charles Manson zum Fanal für eine grauenhafte, blutrünstige Mordserie seiner „Family“ ausgerufen wurde, einer Hippie-Kommune, die sich um den Kriminellen gesammelt hatte, ist eine mehr als bittere Ironie, die sicher nicht in der Intention der genialen Musik von John Lennon und Paul McCartney gelegen hatte. Susan Atkins, Patricia Krenwinkel, Linda Kasabian, Tex Watson, Leslie Van Houten und Charles Watson hatten Anfang August 1969 auf Anweisung Mansons sieben Menschen brutal abgeschlachtet, darunter die hochschwangere Schauspielerin Sharon Tate.
Reinhardt Friese, der auch Regie führte, setzt bei seinen Zuschauern die Kenntnis dieser fatalen Folgen von „Revolution No. 9“, „Happiness is a Warm Gun“, „Piggies“ und des dramaturgisch als Schlachtruf (bitte wörtlich nehmen) eingesetzten „Helter Skelter“ voraus. Weiß man darum, ist es ein eingängiges, wenn auch zu verklärendes Stück, das Manson zwar als den durchgeknallten Guru darstellt, der er war, seiner durch und durch kriminellen Struktur (Drogenhandel, Diebstahl, Köperverletzung, Vergewaltigung, Zuhälterei etc.) aber nicht den notwendigen Raum gibt. Zu sehr hebt Friese auf das Sendungsbewußtsein Mansons ab, der mit dem White Album in der einen und der Offenbarung des Johannes in der anderen Hand die Welt in das Chaos eines Rassenkonfliktes zu stürzen beabsichtigte, aus dem nur er und seine „Family“ unbeschadet hervorgehen würden.
 
Helter Skelter

Weiß man nicht darum, ist es unter dem Strich dann doch eine gut gemachte Revue über das „White Album“ der Beatles, dessen o.a. Songs und viele andere wie „Sexie Sadie“, „Honey Pie“, „I´m so

Roni Merza - Foto © Volker Beushausen
tired“, „Birthday“ „Julia“, „Martha My Dear“, „Dear Prudence“, „Cry Baby Cry“, und „Back in the USSR“ vom Ensemble (Beatrice Reece, Sophie Schmidt, Cornelia Löhr, Andrea Köhler, Roni Merza – alle ganz in unschuldigem Weiß) ausgezeichnet interpretiert wurden. Dann wiederum versteht der Uneingeweihte aber auch nicht, daß die mit roter Farbe auf die Kulisse gemalten Graffiti „Pig“, „Helter Skelter“, „Rise“ und „Death to Piggies“ den an den Tatorten mit dem Blut der Opfer geschriebenen Worte entsprechen.
Die begleitende Band mit Tankred Schleinschock (p), Jürgen Knautz (b, g), Rudi Marhold (dr), Claus Michael Siodmok (g, uk) und Matthias Feige (g, tb) fand brillant Sound und Gefühl der Beatles, „While my guitar gently weeps“ wurde zum musikalischen Sahnestück des Abends. Und zum Trost für alle Enttäuschten gab´s als Zugabe zum versöhnlichen Schluß „All you need is Love“ aus dem Album „Magical Mystery Tour“.
 
The Family

Zur begleitenden bzw. nachbereitenden Lektüre empfiehlt sich „The Family. Die Geschichte von Charles Manson und seiner Strand-Buggy Streitmacht“ von Ed Sanders und Volker Rebell:
Die Beatles 1968. Das weiße Album". Dann wird auch das Stück zugänglich.
 
Weitere Informationen: westfaelisches-landestheater.de