Der Nigger auf Scharhörn

Muß Hans Leip jetzt umgeschrieben werden?

von Frank Becker

         

     

         

     


Warum Worte nicht das Denken verändern

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it guter Literatur wollten mich meine Eltern zum Lesen anregen, also fand ich als Junge auch Hans Leips Roman "Der Nigger auf Scharhörn" eines schönen Weihnachtstages auf dem Gabentisch. Ich erinnere mich noch gut daran, wie mich die Geschichte um den gestrandeten kleinen Negerjungen gefesselt, sein Schicksal berührt hat. Habe ich mich an dem Wort "Nigger" gestoßen? Nein, denn im Kontext wurde klar, daß das nicht abfällig, im Gegenteil, freundlich gemeint war.
Und überhaupt: weder unser Kinderbuch "Zehn kleine Negerlein" noch die abenteuerliche Reiseerzählung "Mecki bei den Negerlein"  von Reinhold Escher und Wilhelm Petersen hat je einen negativen Einfluß auf meine Einstellung zu Menschen anderer Hautfarbe gehabt. Ich erinnere mich noch gut und sehr gerne daran, daß mir ein Neger, ein schwarzer amerikanischer Soldat die erste Orange meines Lebens geschenkt hat, was bei mir das Wort "Neger" lebenslang positiv besetzt hat. Das weiß auch bis heute der Schulkamerad, der mal einen Schwarzen bewußt abfällig "Nigger" genannt hat. Dafür habe ich ihm damals gediegen eine reingehauen.

Was soll also diese entsetzliche Gutmenschen-Hysterie, der zufolge sogleich die Weltliteratur, vor allem aber alle
Kinderbücher im deutschsprachigen Raum umgeschrieben werden sollten? Man kann alles übertreiben, wie sich anhand der aktuellen lächerlichen Diskussion um Otfried Preußlers "Die kleine Hexe", Pippi Langstrumpf, Jim Knopf & Co. leicht belegen läßt. Muß auch der angesehene Dramatiker Karl Otto Mühl nun sein Theaterstück "Ein Neger zum Tee" umschreiben? Was soll mit den bereits gedruckten Büchern geschehen? Kommt eine Literaturpolizei, die alles für eine neue Bücherverbrennung einsammelt? Was soll als nächstes verboten und umgeschrieben werden? Läßt man solche Dummköpfe mit verbogenen Gedankenstrukturen zum Zuge kommen, wird das Ganze uferlos. Das ist - mit Verlaub gesagt - einfach nur krank. Als ob die Welt keine anderen Probleme hätte!