Was darf ein Mensch kosten?

Sybille Fabian inszeniert für die Wuppertaler Bühnen Friedrich Dürrenmatts „Der Besuch der alten Dame“

von Frank Becker

An Kuohn - Foto: Wuppertaler Bühnen
Was darf ein Mensch kosten?
 
Sybille Fabian inszeniert
für die Wuppertaler Bühnen
Friedrich Dürrenmatts
„Der Besuch der alten Dame“
 

Remscheid/Wuppertal. Güllen ist bankrott. 132 Millionen Euro schuldet die Stadt der Landesbank. Die droht den Hahn abzudrehen und anstelle Güllens die ungeliebte Nachbargemeinde Kaffingen zur Landeshauptstadt zu machen. Güllen soll gepfändet werden. Also muß Geld her. Das ist angesichts der jüngsten europäischen Staatspleite am Beispiel Zyperns (und auch Slowenien wackel, hört man jetzt) geradezu bedrückend tagesaktuell.
Wie aber die Pleite abwenden? Da kommt den Güllener Endfünfzigern, die sich Ort und Einfluß teilen, ihre einstige Schulkameradin Klara Wäscher (An Kuohn) recht, die sich durch etliche Ehen mit wohlhabenden Geschäftsleuten zur Milliardärin hochgeerbt hat und nun Claire Zachanassian heißt. Sie hat ihren Besuch und Hilfe angekündigt – und ausgerechnet Alfred Ill (Harald Schwaiger) fällt die Aufgabe zu, Claire zu umgarnen.
 
Sehr bald jedoch macht Claire dem hoffnungsvollen Wahn ein Ende, indem sie den Preis dafür nennt: sie will den Tod Alfred Ills, der sie vor Jahrzehnten geschwängert, verlassen, durch Meineid zur Hure gemacht und den Tod des gemeinsamen Kindes verschuldet hat. Dafür bietet sie Güllen 1 Milliarde Euro (bei der Uraufführung 1956 war es noch 1 Million - so inflationär hat sich die Welt entwickelt). Die anfänglich große Empörung der Güllener sowie die scheinbar konsequente Ablehnung des unmoralischen Angebots wandelt sich subkutan, eine bedenkliche Veränderung, die auch Alfred Ill nicht entgeht. Claire wird nicht nachgeben, zu groß ist ihr Haß, aus dem heraus sie ihre eigenwillige „Gerechtigkeit“ einfordert.
 
Friedrich Dürrenmatt hat den Konflikt zwischen Geld und Moral, Schuld und Vergebung, Heuchelei und Aufrichtigkeit als „tragische Komödie“ auf die Spitze getrieben, bei der das Gelächter gallebitter ist. Sybille Fabian inszeniert im Bühnenbild von Herbert Neubecker die „alte Dame“ als -zigmal geliftete, fast nur noch aus Ersatzteilen bestehende Verkörperung des „dea ex machina“- Gedankens Dürrenmatts, eine groteske Karikatur des Traums von käuflicher ewiger Schönheit. Ihren Alfred Ill läßt sie als einzigen Charakter eine Wandlung durchmachen, ein tragischer Anti-Held, der seine Schuld zuzugeben und die Sühne hinzunehmen imstande ist.
Sybille Fabian hat sich mit ihren bisherigen, teils auch kontrovers diskutierten Arbeiten für die Wuppertaler Bühnen (Kafka: „Der Prozess“, Wedekind: „Lulu“, Molnar: „Liliom“) mit eigener wuchtiger Bildsprache einen sehr guten Namen gemacht. Auch beim „Besuch der alten Dame“ ist eine starke Inszenierung zu erwarten.
 
Die Premiere ist am Samstag, 6. April 2013, 19.30 Uhr im Remscheider Teo Otto Theater
Die Wuppertaler Premiere am 17. Mai, 19.30 Uhr im Opernhaus
 
Weitere Informationen: www.wuppertaler-buehnen.de  -  www.remscheid.de