Bettinas Motorschaden

von Karl Otto Mühl

Foto © Frank Becker
Bettinas Motorschaden
 
Bettina, die treue, weißhaarige Nachbarin stand beim Discounter am Straßenrand und spähte um sich wie ein Matrose im Mastkorb. Ich parkte mein Auto, ging zu ihr und erkundigte mich.
Nun, ihr Auto rühre sich nicht vom Fleck. Sie habe den ADAC angerufen, die wüßten also jetzt Bescheid.
Ob die bald kämen, fragte ich. Das sei nicht sicher, sagte Bettina, sie habe den Mann am Telefon nicht verstanden. Er habe zu schnell gesprochen.
Ob er denn gefragt habe, wo ihr Auto stehe?
Bettina kann sich nicht an eine solche Frage erinnern.
Ich lasse mir stumm den Autoschlüssel geben und starte ihren Opel. Er springt sofort an, geht aber auch sofort wieder aus.
„Batterie in Ordnung, es liegt an der Benzinzufuhr“, sage ich sachkundig. „Da muß jemand kommen und nachsehen.“ Ich rufe den ADAC an, schildere alles und höre, daß innerhalb der nächsten halben Stunde jemand kommt. Ich gebe meine Handy-Nummer an, verspreche Bettina außerdem, in einer Viertelstunde, nach dem Einkauf, wiederzukommen.
 
So geschieht es auch. Als ich zurück zu Bettina komme, fegt gerade das gelbe ADAC–Auto um die Ecke.
„Was machen die?“ frage ich Bettina. „Ach“, antwortet die fröhlich, „die holen mir eben einen Kanister Benzin. Stell dir vor, da war einfach kein Benzin mehr drin.“
„Aber Bettina“, sage ich vorwurfsvoll. „Daran denkt man doch zuerst. Man schaut auf die Anzeige mit dem Tank-Symbol.“
„Wo ist die denn?“ fragt Bettina erstaunt zurück. Aber wenigstens hat sie nicht gefragt, warum ich nicht geschaut habe. Wo ich doch über alles Bescheid weiß.



© 2013 Karl Otto Mühl - Erstveröffentlichung in den Musenblättern