Stefan Soltesz geht

... und die Essener Provinzpolitik benimmt sich daneben

von Peter Bilsing

Foto © Matthias-Jung / Philharmonie Essen

Stefan Soltesz geht
 
Ein großer Künstler geht. Er hat aus einem besseren Stadttheater ein Weltklasse-Opernhaus gemacht. Arvo Aalto hätte sich keinen besseren Intendanten als Stefan Soltesz für seinen Essener Musentempel wünschen können. In diesem Juwel von modernem Theater (optisch wie akustisch), einem architektonischen Meisterwerk (sicherlich eines der schönsten in Europa, wenn nicht weltweit) stand 16 Jahre lang ein Ausnahmekünstler am Pult und bestimmte auch hinter den Kulissen, wo es lang ging. Wenn man überhaupt je zu Recht von einer Ära spricht, dann hat der vielfach malträtierte Begriff hier seine Berechtigung. Die Ära Soltesz geht zu Ende.
 
Mit bis zu 60 Dirigaten pro Jahr beglückte der fleißige Maestro sein Publikum, das ihn stets mehr liebte und Anerkennung zollte als die Essener Provinzkulturpolitik, deren Vertreter man selten bis gar nicht im Opernhaus sah; man kennt das allerdings auch aus anderen Häusern.
Nicht nur, als er sich 2010 öffentlich gegen die Kürzung seines Etats (der für ein Weltklassehaus ohnehin im alleruntersten Bereich liegt) aussprach, sondern generell im Umgang mit der Lokalpolitik nahm Stefan Soltesz kein Blatt vor dem Mund. Der Patriarch verteidigte sein Haus stets wie ein Löwe und hielt auch mit kritischer Reflexion nicht hinter dem Berg. Kein Wunder, daß ihn die Essener Dorfpolitiker wegen fehlender Willfährigkeit und solch offener Worte haßten. Und wäre er nicht bei Publikum, Presse und bei den Sponsoren (die in Essen schon immer eine sehr großzügige Rolle gespielt haben) so beliebt und anerkannt, hätte man seinen Vertrag schon längst nicht mehr verlängert.
 
Ich denke, daß auch der 64-Jährige ggf. noch geblieben wäre, wenn man ihm von Herzen gesagt hätte „Stefan bleib noch ein paar Jahre, Du hast ganz Großes geleistet - wir brauchen Dich! Karajan z.B. war doch viel länger an seinem Heimathaus“ Doch solche Worte blieben ungesagt - im Stillen (so scheint es) ist man froh, daß dieser unbequeme Kerl geht. Politiker wollen eben Ruhe und Mittelmaß. Ihnen wäre sicherlich der tagtägliche „Zigeunerbaron“ („ja das Schreiben und das Lesen...“) im Opernhaus genug Bauern-Kultur.
 
Ich kenne keinen anderen Weltklassedirigenten, der soviel an seinem eigenen Haus dirigiert hat. Stefan Soltesz lebte im und für sein Aalto-Theater mit einem Engagement, welches seinesgleichen sucht. Der Opernfreund spendiert eine Flasche Dom Perignon demjenigen, der uns einen GMD benennt, der öfter an seiner Heimat-Oper dirigiert hat! So kam es durchaus gelegentlich vor, daß der Hausherr an einem Wochenende neben seinen weltweiten Gastdirigaten durch sein Opernhaus wandelte und dann unerwartet dem Abenddirigenten frei gab, weil er Lust hatte just jetzt selber das Orchester zu leiten. Überraschung, Überraschung dann beim Musiker-Kollektiv, daß nicht der 2. Kapellmeister, sondern der so plötzlich Chef auftauchte.
Beliebt war er daher bei einigen Orchestermitgliedern nicht unbedingt; anonym an die Presse geleitete Informationen sprechen auch schon einmal von Tränen und wüsten Worten nach und bei Proben. Doch was zählt, ist immer das, was hinterher herauskommt (Output heißt das heute) und das war einfach Weltklasse.
 
2012 wurde Soltesz Ehrendirigent des Staatsorchesters Braunschweig, dem er sich seit seiner Dirigentenjahre dort (1988-93) mit kontinuierlichen Gastdirigaten stets verbunden fühlte und für das er viel getan hatte. Es ist wohl davon auszugehen - so meine letzten Informationen, Stand 16.7. - daß er den mehr als verdienten Titel „Ehrendirigent“ nicht verliehen bekommt. Eine peinliche Provinzposse sondergleichen - vielleicht schon erstes Signum für den Rückfall in die Provinzialität der alten Tage der Vor-Soltesz-Zeit.
 
Wie auch immer, DER OPERNFREUND verleiht seine besondere Auszeichnung diesmal keiner Opernproduktion, sondern die geht an Stefan Soltesz - für die jahrelange Freude und hohe Qualität, die wir und tausende andere Opernfreunde in seinem Haus 16 Jahre lang genießen durften.

Danke, Stefan Soltesz - und gutes Weiterwirken anderswo.


Mit freundlicher Erlaubnis aus DER OPERNFREUND übernommen.