Ein Offizier und ein Gentleman

Die Wuppertaler Bühnen bieten große Operette mit Paul Abrahams "Viktoria und ihr Husar"

von Frank Becker

Viktoria und ihr Husar

Eine Operette in drei Akten und einem Vorspiel
Musik von Paul Abraham
Text von Alfred Grünwald und Fritz Löhner-Beda

nach der ungarischen Vorlage von Imre Földes





Musikalische Leitung: Evan Christ  -  Inszenierung: Johannes Weigand  -  Ausstattung: Markus Pysall  -  Choreographie: Rosita Steinhauser  -  Einstudierung der Chöre: Jaume Miranda  -  Dramaturgie: Karin Bohnert  -  Licht: Fredy Deisenroth
Rittmeister Stefan Koltay: Andreas Scheidegger (Tenor)  -  Janczi Barnay, sein Bursche: Hans Richter (Buffo)  -  Gräfin Viktoria zu Hegedüs auf Doroszma: Susanne Geb (Sopran)  -  John Cunlight, amerikanischer Gesandter: Olaf Haye (Bariton)  -  Riquette, Kammerzofe Viktorias: Carin Schenk-Schmidt (Soubrette)  -  Graf Ferry zu Hegedüs, Viktorias Bruder: Stephan Boving/alt. Cornel Frey (Tenorbuffo)  -  O Lia San, Ferrys Braut: Elena Fink/alt. Dorothea Brandt (Sopran/Soubrette)  - Bela Pörkölty, Bürgermeister von Doroszma: Dezsö Körmendy
Musiker des Sinfonieorchesters Wuppertal  -  Chor der Wuppertaler Bühnen  -  Satisterie der Wuppertaler Bühnen
Tänzerinnen und Tänzer: Jana Berg, Dana Großmann, Sarah Klee, Lorena Krüger, Ann-Kathrin Schulte, Katrin Winiarski, Dominik Buchta, Jakob Creutzburg, Cagdas Ermis, Jonas Tilly



Die Operette lebt!


Wer geglaubt hat, die Operette sei tot, wurde gestern Abend im Schauspielhaus der Wuppertaler Bühnen mit einer glanzvollen Aufführung von Paul Abrahams "Viktoria und ihr Husar" eines Besseren belehrt. Die Operette lebt, funkelt und hat mit Eleganz, Esprit und Temperament noch immer die bezaubernde Wirkung wie zu ihren besten Zeiten. So zumindest in

Susanne Geb und Chor
der farbenfrohen Revue-Inszenierung, mit der Opernregisseur Johannes Weigand ("...meine erste Operette") sich auch in diesem zu oft für leichtgewichtig gehaltenen Genre eine Kerbe des Erfolgs in seinen Stab schnitzen kann.

Alles stimmt

Es stimmt aber auch alles in dieser Inszenierung, beginnend beim auf der Hinterbühne sichtbar plazierten hochmotivierten Orchester unter Evan Christ, dessen Schlagzeuger Daniel Häker eine nicht unwesentliche Rolle spielt und dem beinahe minimalistischen Bühnenbild, das mit Andeutungen auskommt, wo andere wuchtige Bauten brauchen. Beim Vorspiel in der unwirtlichen sibirischen Taiga, in der Stefan Koltay, ungarischer Rittmeister und sein Bursche Janczi als
Gefangene der russischen Revolutionsarmee festgehalten werden, genügen ein hoher Zaun, Schwaden aus der Nebelkanone (na ja, da wäre weniger mehr) und die durch die Ausleuchtung als Schattenrisse erscheinenden Figuren, um Kälte, Einsamkeit und Verzweiflung zu suggerieren.

Ideal besetzt

Ideal auch die Besetzung von den großen Gesangsrollen über die Soubretten/Buffos bis in die kleinste Charge. Ein Glücksfall. Schon die erste Melodie, Koltays Sehnsuchtslied "Nur ein Mädel gibt es auf der

Susanne Geb - Olaf Haye
Welt" rührt an und überzeugt. Andreas Scheideggers Tenor vereint Kraft und Gefühl in idealer Weise. Der Berner Sänger, als Gast in Wuppertal gerne gesehen, macht seinen von Liebe und Ehrbegriffen geprägten Offizier ebenso zum Sympathieträger, wie Olaf Haye später die Figur des amerikanischen Gesandten, der Koltays große Liebe geheiratet hat, nachdem Koltay als im Krieg gefallen galt. Szenenwechsel: Tokio. In der amerikanischen Gesandtschaft wird am Tag des Kirschblütenfestes die Hochzeit O Lia Sans mit Ferry vorbereitet. Die Bühne, mit blühendem Kirschbaum, japanischem Tor in einer Hofmauer und einem großen Buddha, ist einfach zauberhaft. Susanne Geb mit strahlendem Sopran als Viktoria und das Orchester swingen mit "Rote Orchideen", während ihr ihre Dienerinnen die Beine epilieren - eine witzige Idee, wie überhaupt der nie aufgesetzte Humor in der Inszenierung Weigands eine große Rolle spielt - ein Schlager ebenso wie gleich darauf das zarte Duett mit dem eleganten Bariton Olaf Haye in "Pardon Madame - ich bin verliebt".

Humor im Spiel


Da ich grade vom Humor sprach: hier kommt Hans Richter ins Spiel, Mitglied des Schauspielensembles (und in seiner Kindheit Wiener Sängerknabe). Ein herrlicher Komödiant, wunderbarer Komiker und eine rechte Rampensau. Richter wurde mit

Stephan Boving - Elena Fink
seiner Figur des Janczi, den er als veritablen ungarischen Schweijk anlegt, zum heftig bejubelten Liebling des Publikums. Als "gelernter" Schauspieler zeigte er die ganze Skala seiner Kunst, sprühte vor Humor, glänzte in jeder seiner Szenen, gab sogar einen sehr ordentlichen Buffo und gewann nicht nur das Herz seiner Riquette. Carin Schenk-Schmidt ist ihm eine charmante Partnerin.
Mit Wuppertals beliebter Sopranistin Elena Fink ebenfalls hochkarätig besetzt tritt eine O Lia San auf den Plan, die mit  Partner Stephan Boving gleichfalls die Sympathien des fast ausverkauften Hauses hatte. Spritzig das Duett "Meine Mama war aus Yokohama" mit einer wundervollen Choreographie (nicht der einzigen, die Szenenapplaus verdiente und bekam) und brillant ihre Koloratur im Wettstreit mit der Solo-Flöte des Orchesters (Catarina Trier).


Wunderbares Drumherum

Und drumherum: Kimonos und Mode der 20er Jahre, schicke Hüte und Bambusschirme, Schwerttänzer und Uniformen und später Ungarn in all seinen schönen Kostümen und Farben. Die Kostümschneiderei hatte die Entwürfe Markus Pysalls prächtig verwiklicht - eine Augenweide. 

Andreas Scheidegger - Susanne Geb
Die ehemals Geliebten treffen sich wieder, Treue, Ehre und Liebe verlangen Entscheidungen. O Lia San und Ferry heiraten, singen den charmanten Dauerbrenner "Mausi, süß warst du heute Nacht" mit Polonaise und reizendem Zofen-Ballett,
es kommt zur schmerzlichen neuen Trennung und dem traumschönen Duett "Reich mir zum Abschied noch einmal die Hände" mit grandiosem Hintergrundchor. Hervorragend die Rückblende bei der Begegnung Viktoria/Koltay - da wird nichts zum Kitsch, da gibt es, sensibel in Szene gesetzt, keine aufgesetzte Dramatik.

Und das Ballett...

Noch ein aporops: das Ballett, der Chor und auch die Statisterie, ob nun als russische Revolutionäre mit Krakoviak, als Geishas, Zofen oder Dämchen, als Gesellschaft in Frack und Abendkleid oder fröhliches ungarisches Volk, leisten in einem Umkleide-Marathon und ihren vielen Rollen Erstaunliches. Kompliment auch ihnen.Natürlich kommt es, wie es sich in einer Operette und vor allem in Ungarn gehört, zu einem Happy End. Zurück in der Heimat in Doroszma finden drei glückliche Paare zueinander, der Bürgermeister küßt sich durch die Schar der hübschen Mädel, denen voller Lebensfreude und mit Paprika von Hans Richter und Carin

Fest in Doroszma - Ensemble
Schenk-Schmidt (mit herrlichem drallen Ballett) das Lied "Ja so ein Mädel, ungarisches Mädel" zu Füßen gelegt wird. Und selten sah man einen Gentleman mit so viel Grandezza abgehen, wie Olaf Haye. Da wurde schon das eine oder andere Tränchen verdrückt.

"Viktoria und ihr Husar" von Paul Abraham - in der Wuppertaler Inszenierung von Johannes Weigand: sehr empfehlenswert!


















Weitere Informationen unter:
www.wuppertaler-buehnen.de




Fotos: Wuppertaler Bühnen/Andreas Fischer