De langen Hänns

Eine moselfränkische Erinnerung

von Rudolf Engel
 
Foto © Frank Becker
         

De langen Hänns


Eine moselfränkische Erinnerung


von Rudolf Engel


De langen Hänns
 
Sei hotten gröd ed Nejdischt zum Lewen. Dat besselchin Land, dej zwoù Kejh äam Staal un dej poor Kröten, dej hänn, mei Bergesch-Opa off´m Schenner verdejnt hot, all dat hot net gelangt, net zum Lewen un net zum Stärwen.  Trotzdemm hot mein Oma nein Käanner grußgezuh. Se woaren all goat gezillt, dichtisch, monter un emmer recht loschtisch.     
Un äänes Morjens, mei Mamm, dej mir speder dej Geschicht erzellt hot, woar dömoals noch e klään Meedchin, dö äas „de Langen Hänns“, e Gruußkusing aus der Bergesch Verwandtschaft, gebeckt äan der Dier vun der hennescht Stuww gestann, hot jämmerlich gekresch. Un wej vun allen gefrööt gäan äas, wat dann passiert wär, dö hot de Jong gesoat:         
„Ewei äas och noch mei Mamm gestöref!“Ma kann seich vierstellen, wej dö äan demm kläänen Zäammerchin all off äämoal mucksmeischin stell gäan säan. Un nö ´ner Zeitlang, dö soll mein Oma offgestann säan, de Langen Hänns äan´d Ärm gehöll un zum Jong gesoat hun: „Komm, setz deich hei zoú oas off de Krejbank!
Woù hierer neun säan, dö moß och noch Platz säan fier en zejnten.“ 
 
 
Der lange Hans
 
Sie hatten gerade das Nötigste zum Leben. Das bißchen Land, die zwei Kühe im Stall und die paar Kröten, die er, mein Bergersch-Opa auf dem Schenner verdiente, all das reichte nicht recht zum Leben und zum Sterben. Trotzdem hatte meine Oma neun Kinder großgezogen. Sie waren alle gut erzogen, tüchtig, munter und immer recht lustig.
Und eines Morgens, meine Mutter, die mir später die Geschichte erzählt hatte, war damals noch ein kleines Mädchen, da ist „de Langen Hänns“, ein Großkusin aus der Berger Verwandtschaft, gebückt in der Tür der hennescht Stuww (hintersten Stube) gestanden, hat jämmerlich geweint. Und wie von allen gefragt wurde, was denn geschehen sei, sagte der Junge: „Jetzt ist auch noch meine Mutter gestorben!“ Man kann sich vorstellen, wie dann in dem kleinen Zimmerchen alle auf einmal mucksmäuschenstill geworden sind. Und nach einer Zeitlang, da soll meine Oma aufgestanden sein, den Langen Häns in den Arm genommen und gesagt haben: „Komm, setz dich hier zu uns auf die Krejbank! Wo deren neun sind, da muß auch noch Platz für einen Zehnten sein.“
 

Schenner „Schindanger“ = Feuerton-Abteilung bei Villeroy&Boch in Merzig
Krejbank = wahrscheinlich eine Eckbank, über der auf einem Brett die Krüge (de Krej) standen!
 
 
© Rudolf Engel
 Redaktion: Frank Becker