Altern ist nicht im Interesse unserer Gesellschaft.

Jan Wolfgang Menn - „Unternehmen Abendfrieden“

von Frank Becker

„Altern ist nicht im Interesse unserer Gesellschaft.“
 
Jan Wolfgang Menn stellt seinen Roman
„Unternehmen Abendfrieden“ vor
 
Sind die Senioren eine entbehrliche Generation? Der in Remscheid geborene Autor Jan Wolfgang Menn (*1938) hat sich in seinem ersten, deutliche autobiographische Züge tragenden Roman „Unternehmen Abendfrieden“ mit teils grimmigem Humor des Demoskopie-Problems angenommen. Am vergangenen Mittwochabend stellte er das Buch in der Stadtbibliothek Remscheid einer interessierten Hörerschaft vor. Wichtiger als Klimafragen und Eurokrise schätzt Menn das immer drängendere Problem ein. Daß er die Politik, die sich während des jüngsten Wahlkampfes grandios um dieses Thema gedrückt hat, damit heraufordern und Diskussionen anregen möchte, sagt er unverblümt. Bewußt assoziiert er mit seinem Titel den deutschen Vernichtungsfeldzug „Unternehmen Barbarossa“, wenn das auch ordentlich weit hergeholt erscheint.
2024: Die Senioren stehen kurz davor, die größte Bevölkerungsgruppe zu sein. (Laut aktueller demoskopischer Prognose werden im Jahr 2030 die Alten 30 % der Gesamtbevölkerung ausmachen). Ihre Unterbringung und Versorgung erfordert zwangsläufig neue Strukturen. Hermann und Hetty Wiegand (80) leben anscheinend entspannt und in der Gesellschaft guter Freunde in der Seniorenresidenz „Villa Rosengarten“ am Rhein. Doch die Idylle trügt, denn die Residenz erweist sich als subtiler Knast mit streng geregelten Abläufen. Besuch muß beantragt werden, ebenso das überwachte Verlassen des Geländes. Telefongespräche werden abgehört, Privatpost geöffnet, Handys funktionieren nicht mehr, und den Bewohnern werden Sedativa und Psychopharmaka heimlich in „Aufbauspritzen“ verabreicht. Eine „Palastrevolution“ im Stift soll Änderung bringen.
Wie das vor sich gehen soll, verriet der Autor in seiner 75-minütigen Lesung leider nicht, wohl aber ging er auf weitere virulente Probleme ein: den Suff im Altenheim – hier vornehm als „übermäßiger Alkoholgenuß“ bezeichnet, das Liebesverhältnis zwischen einer Rollstuhlfahrerin und ihrem jüngeren Pfleger – und das Tabu-Thema Sex im Alter. Wieso erlaubt sich eine Gesellschaft, ihren älteren Mitbürgern, die diese Gesellschaft begründet haben, die Libido und ihre physische Umsetzung abzusprechen? Das geht Jan Wolfgang Menn, ein pensionierter Pädagoge, humorvoll und sehr dezent an. Ein wenig belehrend kam die Lesung daher, aber das kriegt man wohl aus einem alten Schulmeister nicht mehr heraus.
„Was geschieht, wenn nichts geschieht?“, fragt der Autor und gibt die alarmierende Antwort selbst: Ein Wegsperren der Senioren in Altersheim-Wohnsilos. Das läßt schon gruseln.
 
Jan Wolfgang Menn – „Unternehmen Abendfrieden“ (Roman)
2013 Geest-Verlag, 204 Seiten, Paperback, 11,- €