Braune Soße

Jürgen Kasten – „Absturz in Fahrtrichtung rechts“

von Frank Becker

Braune Soße
 
Oft genug wird Journalisten und Autoren vorgeworfen, „auf dem rechten Auge blind“ zu sein. Das kann man Jürgen Kasten bei seinem zweiten Krimi „Absturz in Fahrtrichtung rechts“ nun gewiß nicht vorhalten. Nach seinem erfolgreichen Erstling, dem Bergischen Krimi „Grüße aus dem Jenseits“ spürt man, daß er sich freigeschrieben und nicht im Genre festgelegt hat. Hatte er im Debüt-Roman mit komplizierter Zeitebenen-Struktur einen Privatdetktiv als zentrale Figur, läßt er nun die Wermelskirchener Polizei (das ist ein pittoreskes Städtchen im Bergischen) mit Kölner Unterstützung bei Brandstiftung, Mord und anderer politisch motivierter Gewalt ermitteln. Sechs Tage und Nächte, auf diese knappe Zeit verdichtet er die Kriminalerzählung samt Täter- und Ermittlerprofilen, Rahmenhandlung und polizeiinternen Kommunikationsproblemen. Da ist er wie bekannt in seinem Element, denn viele Jahre war Jürgen Kasten bei der Wuppertaler Kriminalpolizei Chef des Kommissariats, das für die Aufklärung von Tötungsdelikten und für Brandermittlungen zuständig ist.
 
So ist denn das Szenario so dicht an der Wirklichkeit, wie bei einem Krimi nur eben möglich. Mit frischen, unverbrauchten Charakteren, in den meisten Fällen sehr authentisch, baut der Autor ein Team von Skeptikern und Realisten auf, das herausfinden muß, wem der Brandanschlag auf ein linkes autonomes Jugendzentrum, bei dem eine junge Frau schwer verletzt wird, schließlich stirbt, zuzuschreiben ist, welche Rolle der „national gesinnte“ Rechtsanwalt Frank von Schliepenstein dabei spielt und wo evtl. bei der Polizei Mittäter und Maulwürfe sitzen. Daß ihnen dabei natürlich die gewaltbereite rechte Szene, aber auch die systemskeptische „autonome“ Klientel ablehnend gegenüberstehen, macht die Arbeit kompliziert.
Murat Cenk, der Kölner Hauptkommissar, der die Leitung der Kommission übernimmt, stößt zudem auch bei einigen Polizisten auf Widerstand, die sich nicht an den Gedanken gewöhnen können, daß ein Mann mit türkischen Wurzeln das Sagen hat und deutsches Recht vertritt. Auch das ist realistisch – dabei haben diese Kleingeister längst vergessen, woher all die Koslowskis, Tilkowskis und Szymaniaks stammen, die unser freiheitliches System mit geschaffen haben.
 
Aber zurück zum Krimi und seinen Protagonisten. Mit Cenk ermittelt die Oberkommissarin Caroline Beckers, genannt „Cora“, eine schöne Frau, aber für Männer unerreichbar, weil sie lesbisch ist und ausgerechnet Julia Bielstein, dem Opfer des Brandanschlages, einmal nachgestiegen ist. Daß auch deren Vater Holger der Kommission angehört, wiederum Freund und Nachbar des Vaters eines der Verdächtigen und späteren Mordopfer (es wird noch ein paar Tote und Verletzte geben) und offensichtlich eine Polizeipistole als Tatwaffe im Spiel ist, macht das Gewirr der Fäden nicht unbedingt durchsichtiger. Für die technische Klärung sorgt Kriminaltechniker „Manni“, ein loyaler Tüftler. Daß der Leser immer einen gewissen Informationsvorsprung hat, aber ihm dennoch der wahre Täter verborgen bleibt, hält die Spannung. Daß von Anfang an die Bilder der gegensätzlichen Lager allzu deutlich in Schwarz, bzw. Braun (doofe rechtsradikale Schläger) und Weiß (aufgeweckte Lesben und Autonome) getrennt sind, nimmt von der Spannung allerdings wieder ein wenig fort. Und ein am Ende aus dem Hut gezogener Täter überzeugt nur zum Teil. Das anscheinend hastig lektorierte Buch weist eine ganze Reihe von Fehlern auf, die nicht dem Autor zuzuschreiben sind. Der hat seine Geschichte locker und trotz der komplizierten Personal-Struktur flott erzählt. Von Murat Cenk und den Nebenfiguren Patrizia von Schuchnitz (Gerichtsassessorin) und Thorsten Schrader (Reporter des Wermelskirchener General Anzeigers) möchte man schon gerne wieder hören.
 
Jürgen Kasten – „Absturz in Fahrtrichtung rechts“
2013 Bergischer Verlag, 254 S., Kartoniert - ISBN 978-3-943886-25-2
9,90 €
 
Weitere Informationen: www.bergischerverlag.de