„Don Quijote“ von Essen reichlich pathetisch

Tariq Ali: „Die neuen Abenteuer des Don Quijote“

von Andreas Rehnolt

Der „Don Quijote“ von Essen ist reichlich pathetisch
 
Das Publikum im Grillo-Theater war jedoch bei der Uraufführung
seiner neuen Abenteuer zufrieden
 
Essen - „Die neuen Abenteuer des Don Quijote“ haben am 1. November im Essener Grillotheater ihre Uraufführung erlebt. Autor Tariq Ali schickt seinen Helden samt dem Knappen Sancho Pansa und zwei philosophierenden Vierbeinern los, die Ungerechtigkeiten der Jetzt-Zeit anzuprangern. Das gut 90-minütige Stück startet in einer Entbindungsstation, wo eine putzende Roma einer jungen Frau bei der Entbindung hilft und dafür Schläge bekommt. Weil das Baby blind zur Welt kommt, wird sogleich die Barackensiedlung vom Mob abgefackelt.
Der Ritter von der wahrhaft traurigen Gestalt - in Essen wird er von Silvia Weiskopf verkörpert - rät den Roma, sich doch an den Papst zu wenden. Der aber, so erfährt man, müsse vorsichtig sein beim Thema Roma, habe er doch gerade erst „die Nachfolge eines Bayern angetreten.“ Solch ein Spruch hätte auch von Karnevalisten kommen können, dann hätte es den obligatorischen Tusch gegeben.

Silvia Weiskopf - Foto © Birgit Hupfeld
 
Der bekennende Sozialist und Antiimperialist Tariq Ali nimmt in seinem Auftragswerk für das Grillo Theater dann sogleich die Banker aufs Korn. „Ihr produziert nicht mehr, was Ihr benötigt, sondern nur Geld“, wirft ihnen der ziegenbärtige Don Quijote vor. Ach, ja. Und natürlich sind die Banker auch daran schuld, daß junge Leute keine Arbeit mehr haben. Die gemischt-geschlechtliche Bankertruppe macht sich indes nur lustig und betont: „Macht ist das Lebenselixier.“ Und egal, ob Afghanistan, Irak oder Syrien. Wenn diese Macht bedroht sei, dann gebe es eben Krieg.
Sancho Pansa (Jens Ochlast) hilft seinem Ritter mal leidenschaftlich, oft ist er aber - getreu der Cervantes-Ur-Vorlage - der Warner und Mahner. Windmühlen gibt es keine auf der von Rudy Sabounghi gestalteten Bühne. Dafür taucht eine Bar auf, in der - wieso eigentlich - Sartre und seine Simone über das Verhältnis von Intellekt und Leidenschaft diskutieren. Der französische Regisseur Jean-Claude Berutti hat manches im Stück gekürzt, anderes gestrichen.
 
Was unter anderem bleibt, ist eine Szene, in der Sancho und Don Quijote von kahlköpfigen Neonazi-Schlägern zusammengeprügelt werden, weil sie sich schützend vor einen Straßenmusikanten mit „Migrationshintergrund“ gestellt haben. Es folgt eine viel zu lange Passage, die im amerikanischen Lazarett von Landshut spielt, in dem aus Afghanistan kommende verwundete US-Soldaten zusammengeflickt werden. Da ist denn auch ein Bett für den reichlich pathetischen Ritter frei und hier lernt er eine hübsche Dulcinea (Ines Krug) kennen, die ihm als Soldatin mehr als nur Avancen macht.
Und dann taucht auch noch ein knappes Dutzend homosexueller Wüstensöhne auf, die - auch viel zu lang - zur Gründung eines schwulen Staates Sodom aufrufen. Das hat dann schon fast Musical-„Qualität“ und leitet die Schlußphase ein. Da stehen der Don und Sancho am Horn von Afrika, wollen den Piraten helfen und werden doch von den Amerikanern erschossen. Weil das für Tariq Ali aber zu traurig wäre und der Ritter ohne Furcht und Tadel weiterleben muß, löst der Knappe am Ende noch Flugtickets nach China. Da gibt's ja auch genug anzuprangern.
 
Anderthalb Stunden Theater, manchmal mehr als schleppend und reichlich moralisierend sind zu Ende. Pferd Rosinante (Ingrid Domann) und Maultier (Jan Pröhl) haben sich wacker gehalten, auch wenn sie nach der Hälfte des Stücks nur noch als halber Vierbeiner die hohe Literatur und Philosophie bemühen. Der Applaus des Premierenpublikums am Ende tönte laut, lang und begeistert.


v.l.: Ines Krug, Silvia Hupfeld, Jens Ochlast - Foto © Birfit Hupfeld
 
Weitere Informationen:  www.schauspiel-essen.de

Redaktion: Frank Becker