Das Paderborner Licht

von Erwin Grosche

Foto © Frank Becker

Das Paderborner Licht
 
Das Paderborner Licht stammt aus der Zeit, als das Wünschen noch geholfen hat. Es erinnert an den magischen Raum, den wir einst als Kinder verlassen mußten. Manchmal ist etwas schwer zu beschreiben, von dem man täglich umgeben ist. Wie ist das Licht, das so viele Maler nach Paderborn gelockt hat, um sich an diesen Himmelsfarben zu versündigen, und dann doch an ihrem Glanz und ihrer Tiefgründigkeit zu scheitern? Wer als Paderborner durch die Westernstraße bummelt um zu kaufen und zu handeln, wagt auch mal den Blick nach oben. Der Himmel scheint so nah zu sein. Selbst an einem grauen Herbsttag spürt man, daß da mehr ist als nur dieses trostlose Grau. Kann es sein, das unser devotes Aufschauen zum Himmel uns schon vom Rheinländer unterscheidet? Sehen wir ein andres Licht, weil wir gläubig sind? Oft kommt man in Paderborn von unten und geht nach oben? Keine hohen Betonklötze verstellen die Sicht auf den Lichterreigen. Da ist ein Leuchten über uns, manchmal wie nur durch einen Filter zu ertragen. Ein überirdisches Glühen, welches die Einwohner dieser Stadt beschützt und bewacht. Als wollte sich der Himmel jeden Moment auf uns legen, bildet er den Hintergrund für all unser Handeln. Wer könnte hier Böses tun? Die himmlischen Alarmsignale leuchten schon auf, wenn der Tag beginnt. Manchmal erinnert dieses Licht an leuchtende Kinderaugen, wenn sie verschämt lachen. Kitschig schleimen sich Barbie-Rosa und Ken-Blau ein. Manchmal scheint der Himmel unseren düsteren Gedanken nachzuhängen und ist von einer Traurigkeit, die uns niederstreckt. Es ist ein emotionales Licht, das uns umgibt. Ein Licht, welches uns aufnimmt, um unsere Gefühle wiederzugeben. Beim Film gibt es den Ausdruck der „Amerikanischen Nacht“, wo man des Tags mit einem bestimmten Filter Nachtszenen drehen kann. Warum gibt es nicht den Fachbegriff „Paderborner Licht“, wenn man das Handeln der Hauptakteure auch im Licht widerspiegeln lassen will? Gestern ging ich durch die Westernstraße, um ein Paket zur Post zu bringen. Ich ging von unten nach oben. Keine hohen Betonklötze versperrten meinen Blick. Plötzlich kam mir der Himmel entgegen mit grauen Wolken, die auf Resten der blauen Weltenleinwand einen Schwarz-Weiß-Film aufführten. Es war ganz deutlich zu spüren: ich ging da meinem Schicksal entgegen. Natürlich hatte sich dann auf der Post eine lange Schlange gebildet und jemand hinter mir weinte und wollte getröstet werden. Ich sagte nur: „Komm, wir gehen ins Licht, der zeigt Dir deinen Weg.“ Wir schauten nach oben, da brach sich ein Lichtstrahl durch die Düsternis und Engel lockten. Kann man da zweifeln?
 
 
 
© 2013 Erwin Grosche
Redaktion: Frank Becker