Ein grandioser Maler von Seelenzuständen

Zum 150. Geburtstag von Edvard Munch

von Andreas Rehnolt

© Kunsthaus Zürich

Ein grandioser Maler von Gefühls- und Seelenzuständen
 
Am 12. Dezember 1863 wurde der norwegische Maler Edvard Munch,
Schöpfer des Gemäldes „Der Schrei“ geboren
 
 
 Ich stand dort, vor Angst zitternd. Ich fühlte den großen, unendlich langen Schrei durch die Natur“. So beschrieb der am 12. Dezember 1863, vor genau 150 Jahren in Norwegen geborene Edvard Munch sein wohl berühmtestes Gemälde mit dem Titel „Der Schrei“. Tatsächlich gibt es vier nahezu identische Versionen von diesem Gemälde, die sich nur in einigen Farbnuancen und der Maltechnik unterscheiden. „Der Schrei“ gilt als erstes Bild des Expressionismus und zugleich als Meisterwerk dieser Epoche. Die Pastellversion aus dem Jahr 1895 erzielte im vergangenen Jahr bei einer Versteigerung knapp 120 Millionen US-Dollar.
Die Verzweiflung und der Schrecken der Figuren im Vordergrund des Bildes werden mit der Landschaft und dem Himmel sichtbar gemacht, wie wenn sich der Schrei in Wellen neurotischer, blinder Angst ausbreiten würde. „Ich male nicht, was ich sehe, sondern was ich sah“, umschrieb der 1944 verstorbene Munch einmal seine zutiefst dem persönlichen Leben verpflichtete Kunstauffassung. Wie bei kaum einem Maler vor ihm beherrschen Gefühle und Seelenzustände seine Bildthemen und es gelang ihm, Abgründe des menschlichen Daseins festzuhalten.
 
1881 begann der als Sohn eines Militärarztes geborene Munch mit seiner künstlerischen Ausbildung an der Zeichenschule in Kristiania, dem heutigen Oslo. Ab 1885 reiste er mehrfach nach Paris, auch um dort Zeichenunterricht zu nehmen. Im selben Jahr begann er die Arbeit an seinem entscheidenden Werk mit dem Titel „Das kranke Kind“, in dem er den frühen Tod seiner Schwester verarbeitete und zugleich radikal mit dem Realismus brach. Noch häufig tritt auch im späteren Werk des Künstlers der Tod symbolhaft in Erscheinung, wie etwa im „Selbstbildnis (mit Totenhand)“ aus dem Jahr 1895 oder als Skelett in umarmender Pose in der Kaltnadelradierung „Der Tod und das Weib“ aus dem Jahr 1894. 
Munchs „Fries des Lebens“, der ihn über viele Jahre hinweg beschäftigte, ist von Liebesleiden geprägt. Ein nie vollendeter Zyklus hochgradig subjektiver Bilder inszeniert die Gefühlszustände von Anziehung, Vereinigung, Enttäuschung, Eifersucht und Verzweiflung.“ Überhaupt spiegeln sich in seinen Gemälden, Grafiken, Aquarellen und Zeichnungen des Norwegers immer wieder persönliche Schicksalsschläge, Krankheiten, Depressionen sowie eine beständige Lebensangst.
 
Fast obsessiv ist seine Beschäftigung mit dem Bild der Frau, blieb das andere Geschlecht für ihn doch stets rätselhaft, oft sogar unheimlich. Abgesehen von reinen Porträts erscheinen Frauen in seinen Arbeiten oft in Gestalt von Vampiren oder Dämonen. Seine tragische Liebesbeziehung zu Tulla Larssen endete 1902 mit einer Revolverszene, bei der Munchs linke Hand angeschossen wurde. Er unterhielt zahlreiche Liebschaften, besuchte regelmäßig das Freudenhaus, nur geheiratet hat er nie.
1894 entstand die erste von insgesamt 5 Versionen des Gemäldes „Madonna“, das damals für Skandale und Schlagzeilen sorgte, weil der Künstler aus einer Heiligen eine Sexikone machte. Die sonst so keusche Madonna wirft sich hier in eine leidenschaftliche Pose, ein Arm ist lasziv hinter den Kopf gestreckt, die Augen lustvoll geschlossen, das Licht hebt ihre nackten Brüste hervor. Wo ein Heiligenschein sein sollte, sitzt eine rote Baskenmütze, wie sie die Pariser Prostituierten dieser Zeit trugen. Als Munch im Januar 1944 starb, hinterließ er der Stadt Oslo all seine Werke. Das waren 1.000 Gemälde, 15.400 Grafiken, 4.500 Aquarelle und Zeichnungen, sowie 6 Skultpuren und dazu eine Vielzahl von Briefen und Aufsätzen. 
 
Aktuell laufen derzeit im Sprengel Museum Hannover (bis zum 2. Februar 2014) und im Kunsthaus Zürich (bis zum 12. Januar 2014) größere Ausstellungen zu Person und Werk von Munch. Das Kunsthaus Zürich besitzt die größte Sammlung von Munch-Gemälden außerhalb Norwegens und zeigt die grafischen Höhepunkte seines Schaffens, von den frühen Radierungen bis zur letzten Lithographie wenige Tage vor seinem Tod. In Hannover sind Lithografien, Holzschnitte, Radierungen und Aquatinten von Munch zu sehen sowie zwei Gemälde aus der musealen Sammlung, „Das Biest“ von 1902 “Dorfplatz in Elgersburg, Thüringen“ aus dem Jahr 1905.