Kinder

von Victor Auburtin

Victor Auburtin
Kinder
 
Im Abteil des Schnellzugs, der von der Grenze kommt, spielt ein kleines Kind und belästigt uns ältere Leute. Es ist ein ungefähr fünfjähriges Knäblein. Immerfort zieht dieses Knäblein mich am Knopf und nimmt mir die Zeitung fort, worüber seine Eltern, wie es scheint, ganz entzückt sind ...
Mir sind kleine Kinder gräßlich.
Nicht etwa deshalb, weil sie uns bemachen, wenn wir sie auf den Schoß nehmen. Im Gegenteil, das ist vielleicht noch die einzige charaktervolle Eigenschaft der Kinder, daß sie uns bemachen, wenn wir sie auf den Schoß nehmen. Es ist ein Zeichen, daß sie ein Gefühl von persönlicher Würde haben. Wenn mich jemand auf den Schoß nehmen wollte, würde ich ihn auch von oben bis unten vollmachen.
Nein, kleine Kinder sind mir gräßlich, weil sie dumm sind und weil man immer so tun muß, als hätten sie wunder was Gescheites gesagt.
„Was willst du denn einmal werden?“ fragte ich das Knäblein, um doch etwas zu sagen.
„Gepäckträger“, antwortet das Knäblein.
Gepäckträger? Schau mal einer an. Die Gepäckträger gehören jetzt zu den am besten gestellten wirtschaftlichen Kategorien; auch werden sie oft in fremder Währung bezahlt. Noch vorhin, in Karlsruhe, die Schweizer Dame, die hat ihrem Gepäckträger fünf Schweizer Franken gegeben.
Ganz so dumm, wie ich dachte, scheinen die Kinder also doch nicht zu sein.

Ja, wenn das Knäblein gesagt hätte, daß es einmal Feuilletonist werden wolle. Aber nein, so saudumm ist heute kein kleines Knäblein mehr.
 
 

Victor Auburtin