Mein großer Freund Pete (2)

Lesefundstücke aus dem früheren Leben

von Niels Höpfner

© 1952 Uta Verlag (jetzt Pabel/Moewig)
Mein großer Freund Pete (2)
Lesefundstücke aus dem früheren Leben

von Niels Höpfner
 

Pete Simmers urteilte und handelte niemals voreingenommen...
 
Zum Stammpersonal der Pete-Geschichten gehören noch der gutmütige Sheriff Tunker und dessen trotteliger Gehilfe John Watson, ein klapperdürrer langer Lulatsch, mit dem Pete und seine Freunde im Dauerclinch liegen.
Action ist angesagt, und es darf mitgefiebert werden, zwischen den fliegenschissigen, sprachlosen, aber spannungssteigernden Auslassungspunkten: Vorwärts, vorwärts... Näher und näher kam der Verfolger... Als sich Pete einmal umblickte, erschrak er heftig. Dog Kerry war dicht hinter ihm- er erkannte den Banditen sofort an dem struppigen, rostroten Vollbart. Kerry holte ständig auf und ließ die Wurfschlinge seines Lassos kreisen... Achtung, jetzt... Pete duckte sich tief auf den Hals seines Pferdes nieder... Er spürte das Zischen, wie sich die Schlinge in der leeren Luft zusammenzog und den Schlag, als das Seil auf seinen Rücken schlug... Der Wurf war daneben gegangen, er hatte es noch einmal geschafft... Aber jetzt, aber jetzt... Ganz dicht holte der Bandit auf... Lauf doch, Brauner, lauf!
 
Pete und sein Bund der Gerechten haben einer üblen Ganovenbande das Handwerk zu legen, zwangsläufig kommt es zum Showdown, jedoch ohne Ballerei: Hunde- nichts als Hunde. Große und kleine, gefleckte Doggen, Terrier und Schnauze- Hunde aller Rassen und Mischrassen. Zuerst war es kaum ein halbes Dutzend- aber immer mehr kamen herbeigelaufen, bildeten ein Gewühl vor dem Fenster, sprangen an der Hauswand in die Höhe, jaulten und kläfften Warner an, als wollten sie etwas von ihm. „Fort mit euch!“ brüllte Warner. Was wollten die Hunde nur von ihm?
Dann packte ihn der Jähzorn, er ergriff den Knüppel und rannte aus dem Haus – und da sah er, daß überall an den Hauswänden ganze Ketten von Würsten befestigt waren – schöne, frische Würste, deren Duft den Hunden in die Nasen stieg. Japsend und heulend sprangen die Vierbeiner an den Hauswänden hoch, um die Würste zu erreichen.
Brüllend hieb Warner mit dem Knüppel auf die Hunde ein. Dann sah er auf einmal ringsum auf dem hohen Zaun, der den Hof des Anwesens umgab, die grinsenden Gesichter: Ranchersjungen, alle Ranchersjungen von Somerset schienen sich hier versammelt zu haben. Ehe Warner noch begriff, was da geschah, tönte es aus mehr als zwanzig Kehlen: „Faß, Rex!...Susy, pack ihn!...Faß, faß, faß!“
 
Strafe muß sein
 
Man sah Joe Warner, der als Rohling und Tierquäler verschrien war, heulend und kreischend durch die Straßen laufen, umgeben von einer

© 1952 Uta Verlag (jetzt Pabel/Moewig)
Meute knurrender, zähnefletschender und beißender Hunde, die Tuchfetzen aus seinen Kleidern rissen... Vor dem Sheriffhaus brach Warner zusammen... „Hilfe – zu Hilfe!“ kreischte, wimmerte, heulte Warner. „Die Bestien fressen mich auf- Watson, helfen Sie mir. Ich will ja alles gestehen – nur jagen Sie die Hunde fort.“
 „Das Kommando hat hier Pete Simmers“, sagte Watson vergnügt. „Ich will mich da beileibe nicht einmischen, wissen Sie? Der 'Bund der Gerechten' ist eine mächtige Organisation, mit der man sich nicht verfeinden darf...“
Und wieder einmal war die Welt in Ordnung (zu einer Zeit, als es noch keine Kampfhunde gab, sondern halbwegs freundliche Hündchen).
 
Das alles ist in passablem Deutsch geschrieben, manchmal etwas hölzern. Die typisierenden Adjektive gehören anscheinend unvermeidlich zum Genre. Doppelsinniges wird, durchaus kindgerecht, in Anführungszeichen gesetzt (Kinder haben kaum einen Sensus für Ironie). Zwar gibt es in den Heften eine generelle Stilebene, aber auch mehr und weniger talentierte Autoren lassen sich schon unterscheiden. Auch wenn schwarz immer schwarz bleibt und weiß immer weiß.
 
Von 1951-1959 sind über 200 Pete-Hefte erschienen, mit humorig-aufregenden Titeln wie: DAS UNGEHEUER VON SOMERSET -  PETE GRÜNDET EIN PARADIES - JIMMY FÄNGT KLAPPERSCHLANGEN - ES TUT SICH WAS IN DER BLADMORE-SCHLUCHT - BIS DIE SCHWARTE KNACKT - DER VERHINDERTE WELTUNTERGANG - DIE BALLADE VOM FALSCHEN SHERIFF - MIRANDUS, DER TEUFELSBOCK- WER SPIELT HIER DIE ERSTE GEIGE? In die Jahre gekommen war Pete auch nicht mehr durch das bis heute übliche Cover-Relaunch zu retten (Petes Bild wurde in die linke Ecke versetzt, er bekam ein rotes Halstuch verpaßt, die Dominanzfarbe Blau des Umschlags wurde ersetzt durch kreischende Buntheit), und so hauchte Pete sein Leben aus, in der Blüte seiner Jahre, verschwand ins Pantheon ewiger Jugend.

Mein Held Pete
 
Hat Pete bei mir irgendwelche Spätschäden hinterlassen? Sicher ein Zufall, daß meine besten Freunde meistens blond sind. Es war ein unschuldiges Lesevergnügen. Und ich wette um die Friedenspfeife, die ich mit Sitting Bull rauchte (im Kino), daß auch heutige Kids von zehn bis zwölf Jahren noch Spaß an den Pete-Heften hätten und sie cool fänden, obwohl es Computerspiele gibt, bei denen man es so richtig krachen lassen kann, und 30 TV-Programme. Kinder, wenn sie nicht bereits früh massiv geschädigt sind, haben einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, den die Hefte bestens bedienen. Gewalt läuft relativ harmlos ab, dagegen ist selbst ein ZDF-Krimi brutaler, ganz zu schweigen von den unappetitlichen Splatter Movies. Und kann es einen besseren älteren Bruder geben als Pete, der den jüngeren nicht vermöbelt, sondern beschützt, wie es sich schließlich für einen Retter der Witwen, Waisen, Enterbten und aller Vierbeiner gehört?

© 1953 Uta Verlag (jetzt Pabel/Moewig)
 
Das Ende der Kindheit
 
Pete, du bist immer mein bester Freund gewesen, auf Papier, neulich vor gut 50 Jahren. Nie habe ich dich verraten, weder an Tom Mix noch an Tom Prox oder Billy Jenkins (und später erst recht nicht an Perry Rhodan oder Jerry Cotton), selbst Tarzan und Akim, Held des Dschungels, waren keine Konkurrenz für dich, auch nicht Sigurd, der Ritter mit dem roten Wams überm Kettenhemd, und erst recht nicht die alberne Micky Maus, die ab 1951 wieder in Deutschland herummauste, ebenso nicht die niedlichen Biester Fix und Foxi. Und als ich begann, ins Kino zu gehen, las ich selbstverständlich nicht die „Bravo“, die 1956 aufkam, sondern die viel erwachsenere „Film-Revue“.
 
Und trotzdem bin ich dir untreu geworden, Pete. Als ich zwölf oder dreizehn war, landete der Stapel deiner Hefte zuerst im Keller und später dann wohl in der Mülltonne. Es war das Ende der Kindheit. Von nun an las ich nur noch sogenannte Literatur, was mich in nie geahntes Elend stürzte. Pete, mein großer Freund, warum hast du mich nicht davor gewarnt?
 

Redaktion: Frank Becker