Sollten Frauen Witze erzählen? (1)

von Sissi Perlinger

© Sissi Perlinger
Sollten Frauen Witze erzählen? (1)
 
Was für eine Frage! Zuerst mußte ich wirklich lachen. Das klingt so dermaßen anachronistisch. Ich sah mich mit einem großen Suffragetten-Hut auf die Bühne stürzen und sagen; »Ja natürlich!! Was denn sonst?« Und wieder gehen.
Das wäre wenigstens eine kurze flammende Rede gewesen. Aber je länger ich mich mit dem Thema beschäftigte, umso mehr kam ich leider zu dem Schluss: Nein, eigentlich sollten Frauen doch keine Witze erzählen. Wenn ich ganz ehrlich sein darf, es gibt diverse Gründe, die dagegen sprechen.
 
Meine Damen, ich bitte Sie, Ihre Empörung im Zaum zu halten, denn ich werde meine provokative Behauptung hieb- und stichfest untermauern. Ich werde Ihnen aber auch zeigen, wie Sie eben jene Mauer mit einem Tunnel untergraben können. Aber zuerst noch ein kleiner Exkurs zum Thema Humor in unserer heutigen Welt.
Die Glotze hat als Medium seine ganz eigene Humorform hervorgebracht. Extrem auf den untersten gemeinsamen Nenner zugeschnitten, muß TV-Comedy heute dermaßen massentauglich sein, daß viele intelligente Menschen inzwischen sagen: »Humor? Nein danke. Das ist unter meinem Niveau.« Witzischkeit kennt keine Grenzen und auch kein Pardon, und wir sind hoffnungslos überfüttert, auch durchs Internet natürlich. Früher war man der Held, wenn man einen neuen guten Witz gehört hatte. Und ich erinnere mich, daß ich bei meinen Freunden extra angerufen habe, um zu sagen; »Hey, ich hab 'nen Neuen«
Heute kriegt man täglich seitenweise nach Themen geordnete Witze zugemailt, und davon leben auch die humorlastigen Formate im TV, und zwar leider meist von uraltem, zusammengeklautem und von einschlägigen Comedyautoren zigmal vorverdautem Gammelfleisch, das einfach immer wieder nur in neue Wurstpelle gepresst wurde. Und das ist jetzt keine Anspielung auf Hella von Sinnen! Aber, wo wir schon mal bei ihr sind, sie ist momentan die einzige Frau, die eine ähnlich konstante und langanhaltende TV-Präsenz in diesem Sektor vorweisen kann wie ihre männlichen Kollegen.
Es gibt überhaupt nur fünf Frauen in Deutschland, die von Humor leben können und selber ihre witzigen Texte schreiben. Eine meiner absoluten Favoritinnen war immer Simone Borowiak. Die hat sich allerdings jetzt zum Mann umoperieren lassen. Da waren es nur noch vier Was ist da los mit dem Thema Frauen und Humor?
Schauen wir uns mal die Männer an, die davon leben, witzig zu sein. Es sind immer die gleichen Hanseln, und sie sitzen allabendlich in der Glotze und versuchen mühsam und mit Hilfe von einem großen Autorenteam, das, was in der Glotze läuft, zu verarschen.
 
Das bringt mich nochmals zu meine Antithese: Frauen sollten keine Witze erzählen! Aber jetzt kommen wir zum wahren »Warum Frauen keine Witze erzählen sollten«. Weil eine witzige Frau viele Feinde hat, nämlich alle humorlosen Männer. Weil frau auf männliches Terrain in eine Männerdomäne vordringt und weil Männer extrem territorial funktionieren. Deshalb ist das weder eine gute Ausgangsposition für einen Flirt, noch ist es förderlich für die Karriere. Frauen hingegen lieben witzige Männer und finden das sogar sexy. 85 Prozent der Frauen sagen, Humor wäre bei der Partnerwahl wichtiger als die Penisgröße.
Wenn ein Mann sagt, er will eine humorvolle Frau, dann meint er da mit eine, die über seine Witze lachen kann, niemals eine, die ihn mit ihrer quirlig-witzigen Art in den Schatten stellt. Das empfindet der durchschnittliche Mann als anstrengend. Sie dürfen dabei nicht vergessen, daß wir hier von uralter, evolutionär bedingter Prägung sprechen, und um diese Zusammenhänge zu verdeutlichen, möchte ich einen kleinen Ausflug in die Steinzeit unter nehmen.
Unsere verbale Kommunikation hat sich in den letzten 250.000 Jahren entwickelt. Wenn wir in diesen Dimensionen denken und uns die Entwicklung des Homo sapiens als eine zwölfstündige Reise vorstellen, ist Jesus wenige Sekunden vor zwölf geboren. In den letzten Nanosekunden hat sich zwar in Bezug auf die Gleichstellung der Frau einiges getan, aber nichts davon ist wirklich evolutionär tief verankert im limbischen System oder in unseren Instinkten: Unsere unbewußten Verhaltensreflexe und auch Kommunikationsformen stammen aus grauer Vorzeit. Und früher galt ganz klar das Grundprinzip »Survival of the fittest«. Es galt das Faustrecht, und der Mann mußte ständig um seine Position innerhalb des Rudels kämpfen. Je weiter unten in der Rangordnung, desto weniger Fortpflanzungs- und Überlebenschancen. Ist Ihnen schon mal aufgefallen, daß es sehr wenige große, gutgebaute, braungebrannte, reiche Männer aus altem Adelsgeschlecht gibt, die gute Humoristen sind? Das liegt daran, daß solche Alphatypen sich nicht die Mühe machen müssen, durch sprühenden Spontanhumor zu punkten. Und wenn ich sage »Mühe machen«, dann meine ich das ganz wörtlich. Sich selbst auf den Arm zu nehmen ist eine der schwersten Turnübungen. Das Comedy-Organ muß man genauso trainieren wie Arnold Schwarzenegger seinen Bizeps; also nur wer keine Muckis hat, kompensiert mit Witz und avanciert zum Klassenclown. Humor ist also die Erfindung der kleinen Brillenträger. Die dicken, finanziell schlechter gestellten Männer mit starkem Haarausfall haben irgendwann erkannt, daß ein hohes Unterhaltungspotenzial die einzige Chance des Außenseiters ist, sich seine Balznische zu schaffen, um trotz aller körperlicher oder sozialer Benachteiligung an ein Weib zu kommen. Und diese Option will sich der geplagte Außenseiter nicht ausgerechnet von seinem Opfer streitig machen lassen. Denn die Frau ist in diesem Szenario lediglich als Beute anzusehen. Das heißt, sie sollte es tunlichst vermeiden, dem mühsam um seinen Status kämpfenden Seiteneinsteiger das Leben auch noch durch allzu vorlaute Wortbeiträge zu erschweren.
Bis vor 60 Jahren sollten Frauen sowieso überhaupt nur die Klappe halten und schöne Blümchen sticken. Lustige Sprüche wie »Mädchen, die des Morgens singen, Hähnen, die des Morgens krähn, soll man beizeiten den Hals umdrähn«, sind Überbleibsel einer jahrtausende langen Unterdrückung weiblicher Lebensfreude und Eloquenz. Nun ist die Frau aber bekanntlich die einzige Beute, die ihrem Jäger auflauert, und sie ist auch sonst heutzutage immer umtriebiger. Des wegen hört man immer häufiger den Spruch: Männer und Frauen passen nicht zusammen, außer in der Mitte. Das ist eine sehr kluge Beobachtung, und sie beruht auf der Erkenntnis, daß wir völlig unterschiedlich kommunizieren.


Lesen Sie zum Thema in der Nächsten Woche an dieser Stelle weiter!


(Textauszug aus "Auszeit! Der Perlinger-Weg ins Glück"
mit freundlicher Genehmigung des Südwest Verlages)
Weitere Informationen unter: www.sissi-perlinger.de
Redaktion: Frank Becker