Paranoia

Claudia Sowa inszeniert mit „Kafkas Tiere“ ein beeindruckendes Bild zerplatzter Illusionen

von Frank Becker

Kinderzeichnung © Archiv Musenblätter

Paranoia
 
Björn Lukas liefert in „Kafkas Tiere“
ein beeindruckendes Bild zerplatzter Illusionen
 
 
 „Schön ist es, für das nahende Alter einen solchen Bau zu haben.“ Franz Kafkas Protagonist - ein Mensch, ein Tier, wir erfahren es nicht -  seiner nachgelassenen Erzählung „Der Bau“ ist mit sich zufrieden,  erklärt per Overhead-Projektion die raffiniert ausgeklügelte Lage, Konstruktion und Zweckmäßigkeit seines unterirdischen Systems von Gängen, Kammern, Plätzen, in dem er – oder es? - gedenkt, einen wohlversorgten Lebensabend zu verbringen: „Und alles, alles still und leer..." In der brillanten Inszenierung von Claudia Sowa, die für das Westdeutsche Tournee Theater (WTT) in Remscheid den Originaltext sorgsam gekürzt und mit kurzen Toneinspielungen anderer tierbezogener Kafka-Texte durchflochten hat, schlüpft Björn Lukas in die Haut des Protagonisten.
 
„Der Bau gehört mir. Ich habe nur  einen Schritt zu tun und bin gerettet.“ Doch die Sicherheit, in der sich das Wesen wähnt, ist brüchig, ebenso fragil wie die selbstzufrieden zur Schau gestellte innere Ruhe. Lukas entwickelt in seinem Kafka-Solo die Paranoia eines, der niemandem mehr vertrauen kann, macht es zur überzeugenden Parabel auf die Sinnlosigkeit so manchen (oder gar allen?) Tuns. Am Versuch, Franz Kafkas Texte angemessen zu interpretieren, gar sie zu analysieren, ist schon mancher Schauspieler gescheitert. Nicht so Björn Lukas, der Walter Benjamins Worten: „Kafka … hat vielmehr alle erdenklichen Vorkehrungen gegen sie Auslegung seiner Texte getroffen. Mit Umsicht, mit Behutsamkeit, mit Mißtrauen muß man in ihrem Inneren sich vorwärtstasten“  folgend, genau das tut, indem er 1:1 die aus dem Text drängenden seelischen Phänomene unerhört dicht umsetzt.
Erste Selbstzweifel und -vorwürfe verunsichern ihn, Angstzustände, Verfolgungswahn kommen hinzu, nervös fiebrige Hyperaktivität und Hysterie. Das gefühlte Eindringen eines vermeintlichen Feindes, das Anschwellen vermeintlicher Grabegeräusche durch einen übermächtigen Feind lassen seinen so sorgfältig erarbeiteten Plan, die Illusion der Sicherheit zerplatzen. Was auf der Walstatt zurückbleibt, ist ein sich einmauernder bejammernswerter Verzweifelter im giftig absinthgrünen Lichtkegel der Angst.
 
Ein sehr zu empfehlender Theaterabend von einer guten inhaltsreichen Stunde, für den man sich Karten sichern sollte.
Nächste Termine: 11. und 12. April. 


Björn Lukas - Foto: WTT
 
Weitere Informationen:   www.wtt-remscheid.de