Die kleine Freiheit

Eine kabarettistisch-musikalische Revue

von Frank Becker

Foto © Frank Becker

In der Traumstadt
 
„Eine kleine Freiheit - Schlaglichter der 50er Jahre“
Eine kleine Revue über eine große Zeit
 
 
Für die einen ist es fernwehüberzuckerte Nostalgie, für andere ein gar nicht mal so helles Stück neuerer deutscher Geschichte und wieder andere amüsieren sich königlich über die Zeiterscheinungen der 1950er Jahre in Werbung, Mode und dem doch noch arg angestaubten Gesellschaftsbild jener Zeit. Doch damals muß es wie ein schöner Traum nach dem Alpdruck des 3. Reichs gewesen sein. Mit einer bemerkenswert vielseitigen, bissig amüsanten und auch musikalisch hochwertigen kabarettistischen Revue über die legendären 50er zeichnete gestern Abend ein brillantes Ensemble aus Studierenden und Lehrenden des Fachs Musikpädagogik im ausverkauften Musiksaal der Wuppertaler Universität vor gut 130 Gästen jene Zeit nach.
Deutschland war nach dem Ende des 2. Weltkriegs 1945 zerstört, zerfallen, demoralisiert. Zwei deutsche Staaten rangen um das Recht, die Nation fortzuführen. Ein geschickter Eröffnungszug war daher der erst aufeinander folgende, dann simultane Vortrag beider deutscher Hymnen – ich möchte nicht entscheiden müssen, welche die ergreifendere, die klügere ist.
Daß folgerichtig Erich Kästners Text „Kleine Freiheit“ folgte, ist nur logisch – überaus sympathisch aber war die Entscheidung, Peter Paul Althaus „In der Traumstadt“ aus dem Jahr 1951 folgen zu lassen:
 
In der Traumstadt

In der Traumstadt ist ein Lächeln stehn geblieben;
niemand weiß, wem es gehört.
Und ein Polizist hat es schon dreimal aufgeschrieben,
weil es den Verkehr, dort wo es stehn geblieben, stört.

Und das Lächeln weiß auch nicht, wem es gegolten;
immer müder lächelnd steht es da,
kaum beachtet, und gescholten
und geschubst und weggedrängt, wenn ja.

Langsam schleicht es sich von hinnen;
doch auf einmal wird es licht verklärt;
und dann geht es ganz nach innen -
und du weißt, wem es gegolten und gehört.


Peter Paul Althaus
 
 
Mit ihm nämlich begann in der Fortsetzung Morgensternscher Philosophie eine neue deutsche Lyrik. Auch Texte von Ingeborg Bachmann, Heinrich Böll, Thomas Bernhard und Heinz Erhardt flossen ein
 

Foto © Frank Becker

Mit Günter Neumanns/Franz Grothes „Ach das könnte schön sein…“ aus dem Kurt Hoffmann-Film „Das Wirtshaus im Spessart“ (1957) wurde von Wolfgang Neuss/Wolfgang Müller (die Geschichte lehrt uns) erfolglos gegen die Wiederbewaffnung (West)Deutschlands angesungen und ein weiterer durch Neuss und Müller zum Evergreen gewordener Song ebenfalls von Neumann/Grothe aus dem Kurt Hoffmann-Film „Wir Wunderkinder“ (1958) illustrierte den rasanten Wiederaufstieg nach Bombenkratern, Trümmerfrauen und Hamsterfahrten: „Jetzt kommt das Wirtschaftswunder“. Das kam und mit ihm ein letztes Aufbäumen der Unterdrückung der Frau als Dummchen in einer modernen Gesellschaft. Geradezu grotesk klingen heute die Auszüge aus Eheratgebern und Aufklärungsschriften der 50er.
Mit dem Wirtschaftswunder, gefüllten Läden und Portemonnaies rollte eine ganz andere Armee über das Land: die Werbung. Auf den Fernsehschirmen und Kinoleinwänden, in Illustrierten und auf Plakatwänden wurde aufgerüstet. Mit Slogans, die bis heute nachhallen, wurde für Zigaretten und Feinstrümpfe, Weinbrand und Mieder, Autos, Modezeitschriften und Waschmittel geworben. Einen Querschnitt bot das Ensemble  - Lacher am laufenden Band.
Als perfekte Interpreten der Schlagerwelt der 50er Jahre empfahlen sich Karima Rösgen und Julian Suzuki mit einem enormen Repertoire von Rudi Schurickes Caprifischern bis zu Caterina Valente/Peter Alexanders „Es geht besser…“ mit Stationen bei Lys Assia, Margot Eskens, Connie Francis und Peter Kraus und vielen anderen mehr. Am Klavier begleiteten, bzw. leiteten über Leon Gleser und Eri Uchino.


Foto © Frank Becker
 
Die bestens aufgestellte Truppe (Niklas Beiten, Carolin Bölting, Lena Haack, Ann-Kathrin Gubba, Verena Khaled, Almuth Rex, Alexander Polenske, Caroline Schneider, Tim Sommer) bescherte 90 Minuten allerbester Unterhaltung mit Moral und Humor, fein choreographiert und von Cornelia Niedzkowski und Thorsten Kellner punktgenau einstudiert. Ein Jammer, daß keine weitere Aufführung der Revue geplant ist.
 

Das Gedicht wurde mit freundlicher Genehmigung des Verlages aus dem Buch
"Peter Paul Althaus läßt grüßen - Die Traumstadtgedichte von PPA",

2003
Pendragon Verlag, entnommen.